: Witwe im Abendlicht
Guido Knopps Weltkriegs-TV-Feature „Die Höllevon Verdun“ ist höllisch schlecht (20.15 Uhr, ZDF)
Man hört Schlachtenlärm. „Voran“ brüllen Soldaten, Mörsergranaten explodieren, Todesschreie ertönen. Die schwarzweißen Originalbilder zeigen voranstürmende Soldaten, die getötet werden – diese Bilder werden geschickt mit in ausgewaschenen Farben gehaltenen Spielszenen aus den Schützengräben verknüpft. So war es, sagt diese Inszenierung. Und: Wir sind dabei.
In Verdun starben 1916 Hunderttausende. Die deutschen Generäle wollten Frankreich mit einem „Abnutzungskrieg“ besiegen. Die Soldaten waren in diesem Spiel das Kanonenfutter, die schwächsten Teile der militärischen Maschine. Die durchschnittliche Lebenserwartung von frischen Soldaten an der Front betrug 14 Tage. Verdun war ein Zeichen für die Irrationalität der westlichen Rationalität: ein Massenschlachten, das auch militärisch-imperial keinen Sinn mehr ergab. Landgewinn gab es im Stellungskrieg nicht mehr.
„Die Hölle von Verdun“ zeichnet den Schlachtverlauf nach, etwa die Eroberung von Fort Vaux. Zudem werden vier Figuren, zwei deutsche, zwei französische Soldaten, etabliert, deren Briefe als innere Monologe präsentiert werden. Die Schlacht soll individuell nachvollziehbar werden. Stefan Brauburger und Oliver Halmburger, die diesen Film mit Guido Knopp produziert haben, erzählen weitgehend aus Perspektive des Schützengrabens. Die Botschaft von dort lautet genregemäß: Scheißkrieg.
Der Erste Weltkrieg, erfahren wir im Off-Kommentar, war die „Ursünde“ des 20. Jahrhunderts. In diesem Wort „Ursünde“ spiegelt sich die verlotterte Machart, mit der Knopp das historische Fernsehfeature in klebriges Infotainment verwandelt. George Kennan hat den Ersten Weltkrieg als „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts bezeichnet – Ursünde ist eine Paraphrase dieses Begriffs, die „Feeling“ hinzufügt und Genauigkeit zerstört. Es ist nicht sinnvoll, ein historisches Ereignis religiös umzufärben, zu enthistorisieren und in die Koordinaten von Gut und Böse zu verschieben – aber dafür klingt „Ursünde“ irgendwie bedeutend und schicksalsschwer.
Genau so funktioniert „Die Hölle von Verdun“ als Ganzes: Das Feature zielt nicht auf Erkenntnis, sondern auf Gefühlscluster. In den Spielszenen menschelt es gehörig – der französische Offizier verabschiedete sich bei Geigenklang von seiner Gattin an die Front. Am Ende sehen wir eine (inszenierte) Soldatenwitwe im Abendlicht, die auf dem Schlachtfeld das Grab ihres Mannes sucht. Trommelwirbel ertönt im Hintergrund, eine einsame Trompete klagt.
Guido Knopp hat mit dem einst ehrenwerten Genre des historischen Fernsehfeatures getan, was Hitler und Stalin 1939 mit Polen gemacht haben.
STEFAN REINECKE