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Archiv-Artikel

Europa gegen TTIP

Das Freihandelsabkommen stößt sowohl in den USA als auch in Europa auf Kritik. Mit einer europaweiten Bürgerinitiative könnten die Verhandlungen jetzt gestoppt werden

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Campact ist ein Netzwerk aus über 950.000 Aktiven, die gesellschaftliche Debatten anstoßen. Als gemeinnütziger Verein startet Campact Petitionen zu Themen, die die Öffentlichkeit bewegen. Wer den Campact-Newsletter abonniert hat, wird zu Offline-Aktionen gegen TTIP eingeladen. Im November findet der große Kongress in Berlin zu „Zehn Jahre Campact“ statt.

■ Auf www.stop-ttip.org kann man sich für laufende Updates zur EBI registrieren.

Es ist eine Gleichung mit Hormonfleisch, Gen-Essen, Fracking und vielen Unbekannten auf der einen Seite. Und dem Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen TTIP auf der anderen. Das Ergebnis ist für Yves Venedey klar: „Ein schleichender Ausstieg aus der Demokratie.“ Ein guter Grund, so der Pressesprecher von Campact, sich dafür einzusetzen, dass die Verhandlungen zu TTIP zwischen Europa und den USA aufgegeben werden. Mit der Kampagne „Stop TTIP“ plant das Netzwerk eine gewaltige Bürgerinitiative.

Campact und knapp 150 weitere Organisationen aus 18 EU-Mitgliedsländern haben sich zum Bündnis „TTIP unfairhandelbar“ zusammengeschlossen. In Deutschland wird die Bürgerinitiative von Attac, Campact, BUND, Mehr Demokratie e. V., dem Umweltinstitut München und dem Naturschutzbund Deutschland e. V. koordiniert. „TTIP gilt den Interessen der Konzerne und nicht uns Bürgern“, begründet Venedey den Protest.

Seit Juli 2013 steht die EU-Kommission in Verhandlung mit den USA. Einsicht in den Stand der Verhandlungen gibt es kaum: „Oft wird argumentiert, es sei bei internationalen Verhandlungen nicht üblich, alle Verhandlungsdokumente offenzulegen“, kritisiert Venedey.

Grobe, der Öffentlichkeit bekannte Entwürfe zeugen davon, dass es keinesfalls nur um den Abbau von Zöllen, sondern den der sogenannten nichttarifären Handelshemmnissen geht. „Darunter verstehen Konzernlobbyisten alles Mögliche, angefangen von Verbraucherschutz-, Umwelt- und Sozialstandards bis hin zu Finanzmarktregeln“, weiß Venedey. Die Verhandlungen werden überwiegend von Exekutiven und Konzernlobbyisten geführt. „Sind die Abkommen einmal abgeschlossen“, warnt Campact, „können sie nachträglich nur noch schwer geändert werden, da alle Vertragspartner einer Änderung zustimmen müssen.“

Die Lösung? Ginge es nach dem politisch verantwortlichen EU-Kommissar Karel De Gucht, dem Hauptverhandlungsführer Ignacio Garcia Bercero oder gar Angela Merkel, müssten Bürger auf zahlreiche Versprechungen in Zusammenhang mit TTIP vertrauen: Immer wieder ist die Rede von Wirtschaftswachstum, einem verbesserten Wohlstand, höherem Einkommen und mehr Arbeitsplätzen.

Was aus solchen Versprechungen wird, zeigt das Handelsabkommen Nafta, das vor 20 Jahren zwischen Kanada, den USA und Mexiko geschlossen wurde: Auch Nafta sollte Arbeit schaffen. Tatsächlich gab das Washingtoner Thinktank Economic Policy Institute 2012 an, dass 700.000 US-Jobs verloren gingen. Eine weitere Folge des Handelsabkommens bekam Kanada vor zwei Jahren zu spüren. 2011 hat die Regierung in Québec das Fracking am Sankt-Lorenz-Strom verboten, weil eine Analyse zur Umweltverträglichkeit noch nicht fertiggestellt war. Daraufhin verklagte das Unternehmen Lone Pine den Staat auf 250 Millionen Euro Schadensersatz.

Grundlage dafür ist das Sonderklagerecht, das auch im TTIP enthalten ist: Sehen ausländische Konzerne ihre Geschäftsinteressen in einem Land durch neue Gesetzte oder Normen bedroht, können sie es mit dem Sonderklagerecht vor privaten Schiedsgerichten auf Schadensersatz verklagen.

Diese Gerichte unterliegen keiner demokratischen Kontrolle und fällen Entscheidungen nicht öffentlich.

„Das lehnen wir ab“, schreibt das Bündnis „TTIP unfairhandelbar“ auf seiner Website. „Damit werden grundlegende Prinzipien des Rechtsstaats unterlaufen.“ Das Netzwerk stellt Forderungen zu Demokratie, Transparenz, Umweltschutz, Informationsfreiheit und anderen Aspekten des Freihandelsabkommen. „Transatlantische Partnerschaft geht anders“, sagen sie. Im Juli hat das Bündnis bei der EU-Kommission einen Antrag auf Registrierung einer Europäischen Bürgerinitiative (EBI) eingereicht.

Mit einer Million Unterschriften aus sieben Mitgliedstaaten kann die Europäische Kommission aufgefordert werden, eine Gesetzesinitiative zu ergreifen, und eine Anhörung im EU-Parlament erzwungen werden. „Ab September kann die Bürgerinitiative unterzeichnet werden“, erklärt Venedey. „Wenn genügend Menschen bei der EBI mitmachen, sehen wir sehr gute Chancen auf einen Erfolg“, fügt er entschlossen hinzu. „Wir werden alles dafür tun, damit TTIP scheitert.“

ANNE DITTMANN