Verdächtigt, verschleppt, verurteilt
Syrisches Gericht verurteilt den Deutschen Mohammad Zammar zu 12 Jahren Haft. Politiker erleichtert, weil dem 45-Jährigen die Todesstrafe erspart blieb. Opposition stellt aber Fragen: Welche Rolle spielten deutsche Behörden bei seiner Verhaftung?
AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF
Mohammad Zammar bleibt am Leben. Das ist die gute Nachricht. In ihren ersten Reaktionen äußerten sich deshalb gestern auch Oppositionspolitiker in Berlin erleichtert. Es sei „zu begrüßen, dass die Todesstrafe nicht verhängt wurde“, sagte der FDP-Politiker Max Stadler der taz, nachdem die Entscheidung des Obersten Staatssicherheitsgerichts in Damaskus über das weitere Schicksal des 45-jährigen Deutschsyrers bekannt geworden war. Wie syrische Menschenrechtsgruppen berichteten, hatte das syrische Gericht zunächst ein Todesurteil ausgesprochen, dieses jedoch in eine zwölfjährige Haftstrafe wegen Mitgliedschaft in der verbotenen Muslimbruderschaft umgewandelt.
Ob diese Entscheidung auf politischen Druck hin erfolgte, blieb zunächst unklar. Der Sprecher von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wollte das Vorgehen der syrischen Justiz nicht kommentieren. Man habe das Urteil „zur Kenntnis genommen“, sagte er. Auch nach seinen Informationen sei die zunächst verhängte Todesstrafe in eine Haftstrafe umgewandelt worden. Der Urteilstext liege aber noch nicht vor, deshalb könne man noch keine Bewertung vornehmen. Auf die Frage der taz, welche Bemühungen die Bundesregierung unternommen habe, um das Leben des deutschen Staatsangehörigen zu retten, sagte Steinmeiers Sprecher, man habe die syrische Regierung über die grundsätzliche Ablehnung der Todesstrafe „nicht im Unklaren gelassen“. Im Übrigen habe sich Deutschland seit Jahren um die konsularische Betreuung des Häftlings bemüht und werde dies weiter tun.
Die parteiübergreifende Erleichterung über die Abmilderung des Urteils erspart der Bundesregierung jedoch nicht, dass die Opposition weiter nachhaken wird. Im sogenannten BND-Untersuchungsausschuss steht der Fall Zammar bereits auf der Themenliste. Er soll behandelt werden, sobald die Aufklärung des Schicksals des früheren Guantánamo-Häftlings Murat Kurnaz abgeschlossen ist. Der Fall Zammar ist für die Bundesregierung nicht nur deshalb brisant, weil Zammar – im Gegensatz zu Kurnaz – deutscher Staatsangehöriger ist. Sie muss sich auch fragen lassen, welchen Anteil deutsche Sicherheitsbehörden an seiner Verhaftung hatten. Zammar wurde im Oktober 2001 in Marokko verhaftet und später angeblich in einem CIA-Flugzeug nach Syrien gebracht – nachdem deutsche Sicherheitsbehörden Informationen über Zammars Reisepläne an amerikanische Kollegen übermittelt hatten. Zammar galt als Bekannter der Hamburger Terrorzelle um den Todespiloten vom 11. September, Mohammed Atta. Gegen ihn wurde in Deutschland ermittelt, für einen Haftbefehl reichten die Erkenntnisse jedoch nicht aus. Seine Ausreise nach Marokko wurde auch nicht verhindert. „Die Deutschen hatten ihn“, sagte sein Anwalt al-Husni gestern der Nachrichtenagentur Reuters. „Sie hätten ihn nicht freigelassen, wenn er etwas mit den Angriffen zu tun gehabt hätte.“ Der Menschenrechtsaktivist Amar al-Kurabi wies darauf hin, dass es auch dem syrischen Gericht nicht gelungen sei, eine Verbindung zwischen Zammar und den Attentätern vom 11. September herzustellen. Deshalb sei er jetzt wegen Mitgliedschaft in der Muslimbruderschaft verurteilt worden. Wie das Urteil genau begründet wurde, bleibt bislang ebenso unklar wie die Frage, in welcher Weise deutsche Behörden zu dem Urteil beigetragen haben. Fest steht nur, dass deutsche Beamte Zammar in einem als Folterknast bekannten Gefängnis in Syrien vernahmen.
Der Fall Zammar sei noch lange nicht geklärt, sagt FDP-Mann Stadler, der seine Partei im BND-Untersuchungsausschuss vertritt. „Wie kam es zu der Verhaftung?“, will er wissen. Zu klären sei angesichts der deutschen Tipps an die Amerikaner hinsichtlich Zammars Reiseplänen 2001, „ob das im Rahmen der zulässigen oder sogar wünschenswerten Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus einzuordnen ist oder ob es darüber hinausging“. War es normaler Informationsaustausch oder bewusste Beihilfe zu einer rechtsstaatswidrigen Verschleppung in ein Foltergefängnis? Das ist für die Opposition die Frage.
„Die Bundesregierung muss sich nunmehr ernsthaft dafür einsetzen, dass der deutsche Staatsbürger Zammar nach Deutschland überführt wird“, forderte der Linkspartei-Obmann im Untersuchungsausschuss, Wolfgang Neskovic. Eine Auslieferung sei wichtig, „damit Zammar als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss gehört und wegen des gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahrens in Deutschland einem rechtsstaatlichen Verfahren unterworfen wird. Das ist das Mindeste, was man verlangen kann.“ Es stehe schließlich der Verdacht im Raume und müsse durch den Ausschuss geklärt werden, „dass deutsche Behörden für die Entführung Zammars durch den CIA zumindest einen mittelbaren Beitrag geleistet haben sollen“.