Der Preisboxer ist heiß

Morgen kehrt Axel Schulz in den Ring zurück – ein Boxer von gestern, der es noch mal wissen will: „Ick mach’s nur für mich.“ Viele sähen den knuffigen Ossi lieber weiter als wandelnde Werbefläche in B-Promi-Rateshows. Doch die zahlen nicht so gut wie RTL

Offiziell geht es Axel Schulz natürlich nicht ums Geld, sondern nur um die Herausforderung

VON MARKUS VÖLKER

„Ick sach mal“, sagt Axel Schulz, „ick will’s einfach noch mal wissen.“ Er kommt zurück in den Ring. Am Samstag boxt er in einer großen Tennishalle, die ein Textilfabrikant in westfälische Muttererde gerammt hat. 14.000 Zuschauer werden in Halle dabei sein. Und RTL.

Der Sender bringt 21 Kameras in Stellung, eine davon trägt der Ringrichter am Revers, andere schnurren an Seilen über den Schauplatz der Schlägerei. RTL klotzt, um die „Nacht der Antworten“ grell auszuleuchten. Der so genannte Lichtregisseur will sich von der Ikonografie eines Schnappschusses aus dem Jahr 1966 inspirieren lassen, als Muhammad Ali den Faustkämpfer Cleveland Williams auf die Bretter schickte und in einer Kathedrale des Lichts seinen Sieg auskostete. „Is okay“, sagt Axel Schulz, „ick fühl mich saujut.“

Auch für RTL ist es ein Comeback. Schulz, mittlerweile 38 Jahre alt, hat sieben Jahre nicht geboxt, der Sender in Deutschland sechs. Entsprechend laut tönen die Marktschreier aus Köln. Sie rühmen den Aufwand der Show, preisen Schulzens Form und träumen doch nur von der Vergangenheit, von den Neunzigerjahren, als sie Boxen, bis dahin ein Vergnügen der Halbwelt, in die Wohnzimmer der Deutschen holten. Damals brachte der weiche Riese aus Frankfurt (Oder), Schulz also, 18 Millionen Zuschauer vor die Fernseher: ein Lucky Punch für den Privatsender. „Ick mach’s nur für mich“, sagt Axel Schulz. „Es is allet nur meins, wat ick will.“

Es soll so werden wie damals. Und noch ein bisschen besser. Die alten Kombattanten sind wieder mit von der Partie. Ringsprecher Michael Buffer wird sich sein „Äxl Schuuuuulz“ teuer bezahlen lassen, auf den besten Plätzen werden Udo Lindenberg, Verona Pooth und Tic Tac Toe sitzen. Kai Ebel darf launige Interviews am Ring führen. Und Meat Loaf, der gewichtige Barde, muss auch noch einmal ran. Das hat man alles schon gesehen. Das ist Boxware von vorgestern, neu verpackt, ein schlagkräftiges Déjà-vu. „Das ist der Kampf des Jahres, das ist hochklassiger Boxsport“, sagt derweil Manfred Loppe, RTL-Sportchef: „Der Sportkamerad Schulz hat sich da eine Menge vorgenommen, der hat eine Klatsche.“

Das hat anfangs auch Wolfram Köhler geglaubt. „Ich hab zuerst gesagt: Du spinnst wohl. Dann haben wir eine ganze Nacht über das Comeback diskutiert.“ Köhler ist der Manager von Schulz, schon seit Jahren. Er ist ein umtriebiger Mann mit stechendem Blick. Er hat das sächsische Nest Riesa zur „Sportstadt“ gemacht. Doch das war ihm nicht genug. Der CDU-Politiker wollte Olympia in den Freistaat holen. Das ging gründlich daneben. Köhler, damals sogar in den Rang eines Olympiabeauftragten der Landesregierung aufgestiegen, hatte sich verhoben. Jetzt kümmert er sich wieder mehr um „den Axel“.

In den kampflosen Jahren lief das Geschäft mit Schulz ja nicht schlecht. Das sympathische Schwergewicht tingelte durch Rateshows, besuchte Plauderrunden, hielt also hier und da seine Schirmmütze in die Kamera, damit der Sponsor pünktlich die Raten überwies. Schulz, so schien es, hatte den Sprung vom Ring in die Szene der B-Promis geschafft. „Wir haben in den letzten Jahren ein gutes Image aufgebaut“, sagt Köhler, „das hätte ja gar keiner gedacht.“ Im Studio machte Schulz das Beste aus seinen Möglichkeiten – wie im Ring. Der knuffige Ossi konnte in einem RBB-Quiz das Wörtchen „faustscheu“ trefflich erklären. „Das war ich früher“, sagte er. Statt die Gegner zu verhauen, „habe ich lieber ‚Pfui, du Böser‘ gesagt.“

Das ist natürlich übertrieben. Aber Schulz galt stets als limitierter Boxer. Er hatte keinen Punch. Die Beine schienen in einem Teigbottich zu stecken. Seine Nerven spielten zu oft verrückt. Ihm wurde ein tief sitzendes Phlegma attestiert, sobald er durch die Seile auf den Kampfplatz stieg. Trotzdem wäre Schulz fast Weltmeister geworden. Fast. Die Legende besagt, dass er um den Titel betrogen wurde. Doch wer Schulz in seinem letzten Kampf gesehen hat, der wünschte ihm einen langen und ungestörten Ruhestand, ohne Ring und harte Rechte. 1999 wurde er in der Kölnarena von einem Furcht erregend überlegenen Wladimir Klitschko nach allen Regeln der Kampfkunst vermöbelt. Schulz, der seinerzeit mit arg deformierter Visage vor die Presse trat, zog aus diesem Desaster die richtigen Schlüsse: „Ich habe in der Weltspitze nichts mehr zu suchen.“

Im Jahr 2006 sieht Axel Schulz das offenbar anders. „Ick will noch mal ’nen Titelkampf“, sagt er. „Ick will oben wieder ankommen.“ Der Vertrag mit RTL geht über drei Fights. Zuerst kämpft er gegen Brian Minto, einen Boxer aus Butter in Pennsylvania. Der US-Amerikaner wird unter dem Namen „The Beast“ geführt – und in der so genannten unabhängigen Weltrangliste auf Position 27. Das Fallobst verfault weiter hinten, auf den Rängen fünfzig bis hundert, Minto ist also ein Gegner, der einen Jab von einem Aufwärtshaken unterscheiden kann. Das ist in der Szene der Preisboxer nicht selbstverständlich. Schulzens neuer Trainer, Rick Conti, macht gleich mal glauben, dieser Minto sei ein kampferprobtes Konglomerat aus Mike Tyson und George Foreman. „Das ist ein ungeschlagener Boxer. Wie kann ich wollen, dass Axel gegen so einen antritt?“, fragt der alte Mann gespielt und zieht sich seine graue Schlabberhose weit über den Bauchnabel.

Rick Conti hat Schulz in Florida getriezt, Manager Köhler wohnt gleich um die Ecke. Drei Trainingseinheiten hat er dem Deutschen verordnet, nicht nur um den Speck auf Schulzens Hüften abzuschmelzen, sondern auch um dessen Defizite zu beheben: Schlagkraft und Beweglichkeit. Man darf ja nicht vergessen, sagen Köhler und Conti unisono, dass eine Rückkehr in den Ring nach langer Pause heikel ist. Boxen laugt aus wie kaum ein anderer Sport. Er verlangt große mentale Balance – und gezielte Aggression. Max Schmeling ist auf diese Art zurückgekommen und hat gewonnen. Auch Foreman ist mit 46 wieder in den Ring gestiegen und hat überzeugt. Aber beide konnten hart schlagen und Konditionsmängel dadurch ausgleichen. Hat Schulz in Florida also dazugelernt?

Bei einem Pressetraining in Halle drischt Schulz mit Wucht auf einen Sack ein. „Dong“, schreit er bei jedem Schlag. Der Hall wird von den Rängen verschluckt. Conti überwacht, ob die Choreografie aus Schlag und Beinbewegung passt. „Bam-bam“, macht Schulz. „Bam-dong-dong-bam.“ Der Sack taumelt. Jean-Marcel Nartz, technischer Leiter im Universum-Boxstall, ist zufrieden. „Axel steht nicht mehr so auf den Zehenspitzen, er hat jetzt auch den doppelten Jab. Den hatte er bei Wolke nicht, da war nur Sicherheitsboxen angesagt“, sagt Nartz.

Sollen Sie nur alle schreiben, er mache sich zum Clown: „Die Presse interessiert mich eh nicht“

Manfred Wolke („jaaanz ruhig“) hat Schulz in Frankfurt geformt, er war nicht der schlechteste Lehrer, aber im Profigeschäft wird gern gegiftet. Wolke lässt übermitteln, dass er vom Comeback überhaupt nichts halte. Promoter Wilfried Sauerland glaubt sogar an eine „Fortsetzung des klamauken Promiboxens, bloß dass die Boxer diesmal die Promis sind.“ Nur Klaus-Peter Kohl vom Universum-Stall ist seltsam still.

Natürlich ist viel Geld im Spiel, „um nichts anderes geht es“, sagt Wolke. Schulz soll für drei Scharmützel 5 Millionen Euro bekommen. Henry Maske, der im Frühjahr 2007 als Mitglied der RTL-Boxgruppe sein Comeback gibt, darf auch einen ordentlichen Millionenbetrag einsacken. Offiziell geht es beiden nicht ums Geld, selbstverständlich nicht. Da steht die persönliche Herausforderung im Mittelpunkt, das „Ick will“.

Henry Maske kann in seinem Kampf gegen seinen alten Rivalen Virgil Hill viel verlieren, Axel Schulz in seinem gegen Minto so gut wie nichts. Er ist auf der sicheren Seite. Gewinnt er, wird er ein bisschen Anerkennung ernten, unterliegt er, bestätigt er das Image des netten Losers. Bei einer Niederlage bleibt er „der Junge mit der gewissen Aura“, wie Nartz bestätigt. „Axel ist eben im Gegensatz zu Henry ein Boxer des Volkes, dem Axel hauste auf die Schulter und gehst mit ihm ein Bier trinken, der ist nicht so Larifari, sondern voll aus dem Bauch raus.“

Schulz hat vor allem als leutseliger Boxer a. D. Punkte sammeln können. Seine Rückkehr in den Ring wird skeptisch gesehen. Doch er blendet die Bedenken, den Spott der Öffentlichkeit aus, weil sie schnell zu Selbstzweifeln führen könnten. Sollen sie nur alle schreiben, er mache sich zum Clown, sollen sie nur. „Die Presse interessiert mich eh nicht, weil ICK den Kampf brauche“, sagt Schulz trotzig. Außerdem habe er zu Clowns ein entspanntes Verhältnis. Er sammelt Witzbolde, traurige und lustige. In Frankfurt haben die Clowns ein eigenes Zimmer. Manchmal setzt Axel Schulz sich zu ihnen.