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Archiv-Artikel

Bufdi statt Ruhestand

EHRENAMT Vor drei Jahren ersetzte der Bundesfreiwilligendienst den Zivildienst – und wo früher junge Schulabgänger im Einsatz waren, sind es nun immer mehr ältere Menschen: Jeder fünfte „Bufdi“ ist heute älter als 50 Jahre, Tendenz steigend

Der Bundesfreiwilligendienst

■ Der Bundesfreiwilligendienst ist der Nachfolger des 2011 abgeschafften Zivildienstes.

■ Deutschlandweit gibt es 44.000 Bufdis, ein Großteil von ihnen ist über 30 Jahre.

■ Sie arbeiten zwischen sechs bis 24 Monate in Sozialeinrichtungen, Zoos oder Sportvereinen. Teilzeit und Vollzeit sind möglich.

■ Das monatliche Taschengeld dafür beträgt maximal 357 Euro.

■ Infos unter: www.bundesfreiwilligendienst.de.

Das Fenster der Pförtnerloge ist leicht geöffnet. Frau Müller schiebt ihren Rollator in Hörweite. Die Balkonmöbel sollen aus ihrem Keller getragen werden, sagt sie, am liebsten schon heute Nachmittag. Schließlich scheine ja die Sonne, das sagt sie auch.

Die Seniorin lächelt charmant, an ihrer Gehhilfe baumelt eine Einkaufstüte hin und her: Toastbrot, Senf, Aufschnitt, ein Rätselheft. „Ich komme gleich nach dem Kegeln zu Ihnen“, sagt Bernd Moje aus dem Pförtnerhäuschen heraus. Er schreibt sich einen Zettel. Seit einem Vierteljahr leistet er Bundesfreiwilligendienst im „Hospital zum Heiligen Geist“ in Hamburg-Poppenbüttel. Und: Bernd Moje ist selbst schon 64.

In seinem Alter könnte er eigentlich entspannt die Füße hochlegen und den verdienten Ruhestand genießen. 48 Jahre lang war Moje Offset-Drucker. Dann traf die Medienkrise auch den kleinen Betrieb, in dem er tätig war. Zwei, drei Jahre hätte er noch arbeiten können, sagt er, allerdings zu schlechteren Bezügen: „Dann lieber Rente.“ Ein Jahr lang verwirklichte Moje Urlaubspläne, kümmerte sich um die Wohnung und entdeckte Hamburg wieder.

Zu fit zum Rumsitzen

Das Arbeitsleben abzuschütteln, fiel ihm dann aber schwerer als gedacht: Volkshochschulkurse, Fotografieren und Reisen reichten nicht aus. „Ich merkte schnell“, sagt Moje, „dass ich zu fit bin zum Rumsitzen.“ In der Zeitung las er vom Bundesfreiwilligendienst. Die Idee gefiel ihm. Seehundstationen am Meer, Denkmalpflege oder eben Senioreneinrichtungen – interessante Angebote gibt es da. Oftmals sind es ehemalige Zivildienststellen, nun offen für jeden.

Darin liegt auch der größte Unterschied zum 2011 abgeschafften Zivildienst: Beim Bundesfreiwilligendienst gibt es keine Altersbegrenzung. Mehr als 40 Prozent aller Bufdis sind über 27 Jahre alt, jeder fünfte sogar über 50. Viele sind schon Rentner, manche auch Hartz-IV-Empfänger. Für ihre Arbeit bekommen sie ein Taschengeld, im Schnitt sind das 300 Euro pro Monat.

Für Moje spielt die Bezahlung nur eine untergeordnete Rolle. Ein nettes Taschengeld, ja, aber nicht überlebensnotwendig. Er suchte viel mehr nach einer neuen Aufgabe. Einfach mal etwas ganz anderes probieren. „Ich hatte schon immer eine soziale Ader“, sagt der 64-Jährige. Genau die ist als Bufdi gefragt.

Das „Hospital zum Heiligen Geist“ nennt sich selbst „kleine Stadt für Senioren“: 1.500 Menschen leben hier, es gibt einen Friseur auf dem Gelände, Ärzte, eine Sparkasse und einen kleinen Laden. Wer noch fit genug ist, bleibt in einer eigenen Wohnung – mit Rundum-Service.

Für die BewohnerInnen ist Bernd Moje ein bisschen Pförtner, ein bisschen Telefonist – und ganz viel Mädchen für alles: Er nimmt Anrufe entgegen von Krankenkassen, Angehörigen, neuen Interessenten für die Einrichtung. Er verteilt die Post, hilft bei Kleinigkeiten. Mal müssen die Balkonmöbel von Frau Müller nach draußen in die Sonne gestellt, mal ein Schrank aufgebaut werden. Dinge, zu klein für den Hausmeistertrupp, zu „unwichtig“ im stressigen Pflegealltag.

Zeit sogar für Klönschnack

Selbst für Klönschnack bleibt immer noch etwas Zeit. Hektik und Stress hatte Moje in 48 Jahren als Drucker schließlich genug. „Die Zeit für Gespräche finde ich wichtig“, sagt er und greift zum Schlüsselbund. Seine Kegelrunde wartet nicht gerne: Er schließt ihr den Raum auf, notiert zweieinhalb Stunden lang Punkte, unterhält sich, schließt wieder ab.

Natürlich gibt es auch schwierige Momente: „Wir haben hier schon einige Charakter-Köpfe, die nicht gerade altersmilde werden“, sagt Moje und lacht. Streitgesprächen über Politik geht er deshalb lieber aus dem Weg, dabei vergäßen manche schon mal ihre gute Kinderstube. Über Enkel und Urlaub redet dagegen jeder gerne.

Die zwölf Monate Bundesfreiwilligendienst will Moje vollmachen – und dann endgültig in Rente gehen. „Ich habe inzwischen die Angst vor dem letzten Lebensabschnitt verloren“, sagt er. „Gerade wenn ich sehe, wie selbstständig manche 80-Jährigen noch leben.“  BIRK GRÜLING