: Der Aufstand der Ochtruper
Wegen einer Gesetzesnovelle der schwarz-gelben Regierung, kann im Münsterland ein Outlet-Center nicht erweitert werden. Aus Protest sind bis zu 40 Mitglieder aus der CDU ausgetreten
VON KATHARINA HEIMEIER
„Stinkewütend.“ So beschreibt Ludger Gaupels die Verfassung der Mitglieder im Ortsverband der CDU im münsterländischen Ochtrup. Er selbst ist seit 40 Jahren CDU-Mitglied, aber jetzt gibt er sein Parteibuch zurück. So wie 15 weitere Vorstands- und Ratsmitglieder. Beschlossen haben die Parteirebellen ihren Schritt auf einer Sitzung am Dienstag. Da sei Frust abgelassen worden, berichtet Gaupels. „Wir waren einmütig entrüstet“, sagt er.
Grund für die Entrüstung ist ein Gesetzesentwurf von Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU), mit dem sie den Einzelhandel von der grünen Wiese zurück in die Stadtzentren holen will. Den Innenstädten solle keine großflächige Konkurrenz am Ortsrand entstehen, sagt Ministeriumssprecher Joachim Neuser. Einkaufszentren mit mehr als 1.200 Quadratmetern Verkaufsfläche dürfen deshalb nach dem Gesetzentwurf nur noch in Innenstädten und Stadtteilzentren angesiedelt werden. So genannte Factory-Outlet-Center (FOC), also Fabrikverkäufe, mit mehr als 5.000 Quadratmetern sollen nur noch in Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern geplant werden dürfen.
Aber Ochtrup ist eine Kleinstadt mit 19.350 Einwohnern und das örtliche Euregio-Outlet-Center (EOC) soll von 3.500 auf 11.500 Quadratmeter vergrößert werden. „Diese Erweiterung war von Anfang an vorgesehen“, sagt Christa Lenderich. Bis Dienstagabend war sie Vorsitzende der CDU Ochtrup, jetzt hat sie ihr Amt zurückgegeben. Denn die zuständige Bezirksregierung in Münster hat die Genehmigung verweigert – unter anderem wegen eines Erlasses des Wirtschaftsministeriums vom Montag. Danach stehen die Planungen „im Widerspruch zu den eingeleiteten Zielen der Landesplanung“, sagt Sigrun Rittrich, Sprecherin der Bezirksregierung.
Ratsmitglied Ludger Gaupels kann das nicht verstehen. „Barsch abgebügelt“ fühlten sich die Ochtruper von Frau Thoben. „Das Gesetz ist doch noch gar nicht in Kraft.“ Das sei formal richtig, sagt Ministeriumssprecher Neuser. Die Gesetzesnovelle ist zurzeit zur Beschlussfassung im Landtag. „Aber die Änderung des Flächennutzungsplans ist auch nach derzeitiger Rechtslage nicht zulässig.“ Die Bezirksregierung hätte Bedenken gehabt, dass ein vergrößertes EOC in Ochtrup Auswirkungen auf den Einzelhandel in den Nachbargemeinden haben könnte.
Ein Publikumsmagnet sollte das neue EOC werden. „Das funktioniert erst ab einer Größe von 11.000 bis 12.000 Quadratmetern“, sagt Gaupels. Seiner Meinung nach gehören Outlet-Center aufs Land und nicht in große Städte. „Dort kannibalisieren sie den funktionierenden Einzelhandel.“ Von grüner Wiese könne bei dem Standort des EOC keine Rede sein – „das ist 500 Meter vom Kirchturm entfernt“.
Konkurrenz droht Ochtrup nun aus den Niederlanden, fürchtet die ehemalige CDU-Vorsitzende Lenderich. „Die Planungen in den Niederlanden und auch in Niedersachsen zielen auf den NRW-Markt.“ Im nordhessischen Diemelstadt soll zum Beispiel ein Outlet-Center entstehen. Dem Land sind diese Entwicklungen nicht entgangen. An den Landesgrenzen will die Regierung mit den Nachbarländern Niedersachsen und Hessen einheitliche Linien für die Ansiedlung von Outlet-Centern verabreden. Und auch mit den Ochtrupern will das Ministerium noch mal reden. „Da sind Gespräche geplant“, sagt Sprecher Neuser.
In Ochtrup ist die Aufregung unterdessen groß. „30 bis 40 Austritte haben wir schon“, sagt Lenderich. In der Düsseldorfer Parteizentrale sieht man diese Entwicklung mit Bedauern. „Es ist schade, dass man wegen einer einzigen Sachfrage die gemeinsamen politischen Grundüberzeugungen verlässt“, sagt Generalsekretär Hendrik Wüst. Leicht gefallen sei ihr die Entscheidung nicht, gibt Lenderich zu. 22 Jahre sei sie in der Partei gewesen. „Das tut weh.“
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