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Archiv-Artikel

Lehrer Sorglos gibt es nicht mehr

Die Kultusminister der Länder stellen weniger Lehrer ein, als sie selbst für notwendig erachten. Dennoch gute Jobchancen nach Lehrerstudium – in Informatik, Kunst oder Mathematik. Bildungsgewerkschaft warnt: „Wir verfrühstücken unsere Zukunft“

AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER

Die Schulminister der Bundesländer konterkarieren die positiven Berufsaussichten von jungen Lehrern. Das ist die Aussage einer Studie zum Lehrerarbeitsmarkt der Universität Essen-Duisburg. Sie stellt fest, dass seit 2003 fast 15.000 Lehrer weniger in den Schulen eingestellt wurden, als es sich die Minister selbst vorgenommen hatten. „Im Jahr 2003 wurden noch die rosigsten Perspektiven ausgegeben“, sagte der Macher des Lehrerarbeitsmarktberichts, Frank Meetz, „aber dass Lehrer nun sorglos sein können, das kann man nicht sagen.“

Allein die Einstellungszahlen für das laufende Jahr 2006 sprechen eine deutliche Sprache: 24.646 neue Lehrer wurden eingestellt, aber 26.000 Lehrer mit Examen fanden keinen Platz in den Schulen. Dabei besteht ein großer Bedarf an neuen Pädagogen. Die deutsche Lehrerschaft ist stark überaltert, die Hälfte der rund 800.000 LehrerInnen wird in den kommenden 10 Jahren in den Ruhestand wechseln.

„Wir leben auf Pump, wir verbrauchen unsere Zukunft“, kommentierte der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ulrich Thöne die neuesten Zahlen. „Die Bundesländer brechen ihre Bildungsversprechen.“ Die GEW hat die Studie in Auftrag gegeben. Thöne wunderte sich zugleich, dass die Konferenz der Kultusminister ihre eigenen Berichte über den Lehrerarbeitsmarkt seit zwei Jahren nicht erneuert.

Trotz der seit langem stagnierenden Einstellungszahlen riet der Leiter der Essener Arbeitsgruppe „Bildungsforschung und Bildungsplanung“, Klaus Klemm, zum Lehrerstudium. „Die Botschaft heißt „Wir brauchen Lehrer“ – aber eben nicht in jedem Schulfach“, sagte Klemm der taz. Gute Berufsaussichten bestünden in den Fächern Informatik, Chemie, Mathematik, Physik und auch in Kunst. Dies gelte über alle Schulformen hinweg.

Die Zurückhaltung bei der Lehrereinstellung hat negative Effekte auf die Situation in den Klassenzimmern. Die Zahl der Schüler je Lehrer sinkt in Grund- und Sonderschulen nur minimal, in den Klassen jenseits der vierten nimmt sie sogar zu. Das ist deswegen ein Problem, weil mit den Pisa-Studien klar wurde, dass die Verlierer des deutschen Bildungssystems am Schulanfang gemacht werden. Das heißt, es braucht eine entschieden bessere Versorgung mit Lehrern in den ersten Schuljahren.

In Berlin beispielsweise steht eine wichtige Schulreform auf der Kippe, weil es die Landesregierung versäumt hat, ausreichend zusätzliche LehrerInnen und ErzieherInnen zur Verfügung zu stellen. Die sogenannte flexible Eingangsphase, das ist die altersgemischte Unterrichtung der ersten und zweiten Klassen, wurde wegen Widerstands aus der Lehrerschaft verschoben. Teilweise weigern sich ganze Schulen, an der Reform teilzunehmen, wenn sie nicht besser mit Lehrpersonen ausgestattet werden.

Der Leiter der Lehrerstudie, Klaus Klemm, übte auch Kritik an der Berufsvorbereitung von Lehrern. „Wir bilden die Lehrer immer noch nach Urväter Sitte aus“, sagte Klemm. „Die Kultusminister haben es verschlafen, dafür zu sorgen, dass Lehrer auch andere Lehrmethoden kennenlernen.“

Wohin das führt zeigte die jüngste Pisa-Studie „2003 Plus“. Darin konnte gezeigt werden, dass Schüler bei „aktiven Lehrern“, die einen individuellen Stil pflegen, deutlich größere Kompetenzgewinne verzeichnen als bei „disziplinorientierten Lehrern“. Diese Spezies zeichnet sich dadurch aus, dass sie „ausgeprägte Aktivitäten nur hinsichtlich eines disziplin- und leistungsorientierten Lernklimas und einer effektiven Zeitnutzung“ entwickelt.

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