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Archiv-Artikel

Neue Debatte um Wehrpflicht in der SPD

Mitglieder der Programmkommission fordern Ende der Wehrpflicht. SPD-Verteidigungsexperte Thießen ist skeptisch

BERLIN taz ■ In der SPD gibt es einen neuen Vorstoß für die Abschaffung der Wehrpflicht. 17 Mitglieder der Programmkommission fordern mit ihrem Antrag „Soziale Demokratie statt Wehrpflicht!“ eine entsprechendes Bekenntnis im neuen SPD-Grundsatzprogramm. Das Programm soll im Herbst 2007 beschlossen werden. Noch sind sie in der Unterzahl: Die Programmkommission zählt 52 Mitglieder.

„Es gibt keine sicherheitspolitische Notwendigkeit mehr für eine Wehrpflicht in Deutschland“, sagte Christian Lange, SPD-Bundestagsabgeordneter und einer der Initiatoren, gestern in Berlin. Mit dem Umbau der Bundeswehr in eine Armee von Zeit- und Berufssoldaten solle gleichzeitig der Ausbau von sozialen und ökologischen Freiwilligendiensten für Jungen wie Mädchen gestärkt werden.

„Die Wehrpflicht ist zur Lotterie verkommen“, kritisierte Björn Böhning, Bundesvorsitzender der Jusos. Durch die Änderung des Wehrpflichtgesetzes 2004 habe sich der Anteil der Untauglichen von 12 Prozent im Jahr 2000 auf 36 Prozent im Jahr 2005 verdreifacht.

„Mindestens 110.000 Wehrpflichtige jedes Jahrgangs werden entweder nicht gemustert oder willkürlich für wehrdienstfähig erklärt“, sagte der Juso-Vorsitzende, der die Erklärung für das Aus der Wehrpflicht ebenfalls unterzeichnet hat. Björn Böhning schätzt, dass in Zukunft nur noch jeder achte junge Mann Wehrdienst leisten werde und jeder dritte Zivildienst. Die Hälfte der jungen Männer werde gar nicht erst im Musterungsbüro vorstellig.

Jörn Thießen, der die SPD im Verteidigungsausschuss des Bundestages vertritt, steht der Initiative „kritisch und skeptisch“ gegenüber: „Die Unterzeichner gehören zu den üblichen Verdächtigen – die wenigsten haben sich bisher mit sicherheitspolitischen Fragen auseinandergesetzt“, sagte er der taz.

Allerdings: „Die Wehrpflicht steht in der SPD leider nicht mehr auf zwei festen Beinen“, so Thießen. Er fordert, dass Wehrpflicht weiter Bürgerpflicht bleiben müsse. Auf die Frage, ob es auch 2020 noch eine Wehrpflicht geben werde, sagte Verteidigungsexperte Thießen: „Ich befürchte: nein.“

Auch die Mehrheit der Deutschen hält die Wehrpflicht für ein Auslaufmodell: Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Oktober 2006 sprechen sich mehr als die Hälfte dafür aus, die Bundeswehr in eine Berufsarmee umzuwandeln. Unter den SPD-Anhängern plädieren 57 Prozent für eine Berufsarmee. Rund 40 Prozent der Befragten schwören angesichts der steigenden Zahl von Auslandseinsätzen weiter auf die allgemeine Wehrpflicht. MARTIN LANGEDER