„Die Fertigstellung ist keine Geldfrage“

Am Sonntag protestieren Bürger wieder für die Erweiterung des Mauerparks. Der Landschaftsarchitekt Gustav Lange, der den Park in den 90er-Jahren geplant hat, lehnt neue Bebauungskonzepte ab – weil sie die historische Dimension des Orts zerstören

INTERVIEW DIRK HAGEN

taz: Herr Lange, der Mauerpark ist ein Teil des ehemaligen Grenzstreifens zwischen Ost und West und befindet sich zwischen dicht besiedelten Bezirksteilen von Prenzlauer Berg und Wedding. Welche Bedeutung kommt dem Mauerpark aus Ihrer Sicht zu?

Gustav Lange: Das Areal liegt in dem historischen Spannungsfeld zwischen den beiden ehemaligen politischen Blöcken des Kalten Krieges, ein Zwischenraum mit Mauer und Grenzpatrouille, der freigeschossen wurde. Heute ist der Mauerpark ein Freiraum, in dem sich Leute aufhalten, Fußball spielen, grillen und vieles mehr. Es hat seit dem Mauerfall sozusagen eine Transformation stattgefunden. Der Park soll Historie begreifbar machen. Wenn man sieht, wie gerade im Sommer so viele Menschen diesen Park nutzen, finde ich das klasse.

Zwischen der jetzigen Besitzerin der fehlenden Erweiterungsflächen, der Vivico Real Estate, und Bezirkspolitikern laufen Verhandlungen, den Mauerpark aus finanziellen Gründen nur noch um zwei Hektar zu erweitern. Wie stehen Sie dazu?

Bisher wird die Fläche bevorzugt von vielen jüngeren Leuten auf der zum Prenzlauer Berg hin gelegenen Seite genutzt. Die geplante Erweiterung mit einer durch eine Allee beschatteten, ruhigeren Promenade entlang der gesamten Westseite am Wedding wird erst den Park für die türkischen Familien und älteren Bewohner öffnen. Ohne diese komplette Erweiterung wird auch die historisch-politische Dimension dieses Ortes nicht mehr begreifbar.

Angedacht ist auch, auf den restlichen vier Hektar der geplanten Parkfläche Wohnbebauung, so genannte „Townhouses“, oder Gewerbebebauung zuzulassen.

So etwas würde den Park dann in einzelne, abgegrenzte Nutzungsfunktionen unterteilen. Gewerbe- und Wohnbebauung würden die freie Nutzung des Parks behindern, auch das „Durchatmen“ der Menschen in den dicht bebauten Stadtteilen. Ein Park sollte einen Freiraum darstellen und auch außerhalb solcher ökonomischen Strategien funktionieren. Die Geschichtlichkeit des Ortes, die eine wichtige Dimension darstellt, wäre dann endgültig zerstört.

Können denn solche Aktionen wie die Baumpflanzungen und Parkbesetzungen wirklich zu der von vielen gewünschten Fertigstellung des Parks beitragen?

Ich kenne die politischen Bedingungen in Berlin nicht genug, freue mich aber, dass Aktive mit diesen Aktionen eine Öffentlichkeit für die Situation des Mauerparks herstellen. Wichtig ist, dass gerade die historische Dimension des Ortes auch der Öffentlichkeit nahe gebracht wird. Mit Kaufhäusern oder Wohnbebauung wäre diese dann endgültig zerstört.

Rechnen Sie nach mehr als zehn Jahren des unvollendeten Mauerparks überhaupt noch mit seiner Fertigstellung?

Die Fertigstellung wird realisiert, weil die Konsequenzen aus den anderen Vorstellungen sinnlos sind. Die Fertigstellung des Mauerparks ist keine Geldfrage, sondern eine Wollensfrage.