portrait : Der Chassismontage-Mechaniker
Obwohl Ron Gettelfinger, 62, studiert hat, ist er immer noch stolz darauf, wenn ihn seine Gewerkschaftsmitglieder als Chassismontage-Mechaniker bezeichnen. Gettelfinger, der Gewerkschaftsboss der UAW, der einst mächtigen US-amerikanischen Arbeiter in der Automobilindustrie, hat in den letzten beiden Jahren nicht mehr viel, worauf er stolz sein kann. Die nordamerikanische Autoindustrie taumelt von einer Krise in die nächste und hat vergangenes Jahr den Todesstoß erhalten. Doch Gettelfinger versucht zu retten, was zu retten ist, von den einst fürstlich bezahlten Jobs um Detroit. Dass General Motors und Ford Massenentlassungen verkündeten, war für die UAW noch erwartbar. Dass nun auch DaimlerChrysler in den USA und Kanada 13.000 Stellen streichen will, ist ein harter Schlag. Galt der deutsch-amerikanische Konzern unter den großen drei aus Detroit doch als der erfolgreichste. Ron Gettelfinger ist entsetzt. „Das sind katastrophale Nachrichten für Tausende von Arbeitern und ihre Familien.“
Doch das Chrysler-Management wird sich wenig beeindrucken lassen, wenn Gettelfinger tobt, dass die Verluste bei Chrysler nicht auf das Konto von UAW-Mitgliedern gehen. „Dennoch müssen sie leiden.“ Denn auch Chrysler macht Verlust. 1,4 Milliarden US-Dollar (1,1 Milliarden Euro) 2006. Mit Entlassungen und Stilllegungen will das Unternehmen bis 2009 die Gesamtkapazität um 400.000 Autos drosseln, um die Produktion der zurückgegangenen Nachfrage anzupassen. Schon nächstes Jahr will Chrysler in die schwarzen Zahlen zurückkehren.
Gettelfinger ließ bereits wissen, dass er Chrysler gegenüber nicht zu den gleichen Zugeständnissen bei den Sozialplänen bereit sei wie bei den anderen beiden US-Autobauern. Böse Zungen behaupten, die UAW habe bei Ford und GM ohnehin nur kampflos zugesehen.
Gettelfinger kündigte an, die Geschäftszahlen von Chrysler unter die Lupe zu nehmen, um zu sehen, ob Zugeständnisse gerechtfertigt sind oder nicht.
Egal welche Strategie Gettelfinger auch wählen wird – seine Gewerkschaft hat die guten Jahre längst hinter sich. Einst Schrecken der Manager, ist sie zum kraftlosen Tiger geworden, wofür Gettelfinger selbst am wenigsten kann. Vielmehr hat die Autoindustrie selbst an Kraft verloren. Zudem sind ausländische Autobauer, die auf den US-Markt drängen, sehr geschickt darin, die UAW aus ihren Betrieben herauszuhalten.
Gettelfinger kann also nur noch schwachen Trost spenden. Er will sich dafür einsetzen, dass die Entlassenen wieder in dem Unternehmen beschäftigt werden, sobald der Autobauer in die Gewinnzone zurückfährt.
ADRIENNE WOLTERSDORF