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Archiv-Artikel

Urwald-Hängematten für die Queen

Das Internet revolutioniert den uralten Tauschring-Gedanken: Konsumenten und alternative Produzenten können eine Parallelökonomie jenseits der Großkonzerne aufbauen. Sogar Indianer am Amazonas sind schon angeschlossen

SolidarischeÖkonomie

BERLIN taz ■ Tauschringe lassen romantische Herzen höher schlagen: Man zahlt in Elbtaler, Bethel-Euro oder Kreuzer, holt sich das Gemüse vom Ökohof und mäht der Nachbarin für 5 Rheingold den Rasen. Ein wunderbar übersichtliche Welt, angereichert mit Mittelalter-Feeling und dem guten Gefühl, dabei auch noch dem Kapitalismus ein Schnippchen zu schlagen. Das zeichnet die Welt der regionalen Tauschringe bislang aus. Dabei lässt sich genau diese Form solidarischen Wirtschaften auch größer denken. Das Internet macht es möglich.

„Durch das globale Netz entstehen ganz neue Formen von Parallelökonomien“, sagt der der amerikanische Jura-Professor und Netzwerkökonom Yochai Benkler, der das Standardwerk „The Wealth of Networks“ verfasst hat. So sei die weltweite Zusammenarbeit bei der Entwicklung des kostenlosen Computer-Betriebssystem Linux ein Beispiel für eine neue nicht-kommerzielle Ökonomie. Aber auch virtuelle Gemeinschaften wie die Online-Enzyklopädie Wikipedia oder die Kontaktbörse MySpace schaffen neue Formen der Wertschöpfung, in deren Zentrum Wissen und Information stehen. „Die Produktionsmittel sind in der Netzwerkökonomie wieder an das Individuum zurückgefallen“, so Benkler. Er prognostiziert eine „Wertschöpfungsrevolution“, denn die Produktionsressourcen Wissen und Information seien unbegrenzt vermehrbar.

Das Internet bietet aber auch traditionellen Tauschringen die Chance, sich jenseits der liebenswürdigen Vereinswirtschaft zu etablieren. Bambali.net gehört zu den ersten Versuchen, eine überregionale virtuellen Online-Tauschbörse einzuführen. Ob Auto, Playstation oder Oma-Sitting – angeboten wird fast alles. Nur spielt hier im Gegensatz zu anderen Internethandelsplätzen wie Ebay echtes Geld keine Rolle. Bezahlt wird in der eigenen virtuellen Währung BAM, die für jedes Mitglied auf einem individuellen Onlinekonto verrechnet wird. Weil es beim BAM keine Zinsen gibt, erfüllt die alternative Onlinewährung das ideologische Reinheitsgebot des Tauschring-Gurus Silvio Gesell.

Das Internet hat die Tauschszene bereits um neue Ideen bereichert. dieeborger.de heißt etwa ein kostenloser Internetdienst für Menschen, die leihen oder verleihen wollen. Ob Filme, Bücher oder Werkzeuge, hier lässt sich auf Zeit besorgen, was andere entbehren können. Wer sich die Versandkosten sparen will, kann Angebote und Nachfragen per Postleitzahl durchsuchen.

Der ökonomische Vorteil dieser Kundenkooperationen leuchtet auch profitorientierten Unternehmen ein. Vor einigen Jahren versuchte powershopping.de die Kaufkraft der Konsumenten zu bündeln, um bessere Einkaufskonditionen zu erzielen. Doch die Gerichte stuften die Einkaufsgemeinschaft als unlauteren Wettbewerb ein – Powershopping ging Pleite.

Dafür sind Utopien solidarischer Ökonomie in anderen Bereichen Wirklichkeit geworden. Dank Internet können etwa die 300 Weberinnen vom Stamm der Wapishana im südamerikanischen Guayana ihre einzigartigen Hängematten in die ganze Welt verkaufen. Sogar die britische Queen gehört zu ihren Kunden. Per Internet kann man auch saftigen Rumkuchen aus Barbados oder Karnevalskostüme aus Trinidad bestellen.

Für die Zukunft prophezeit Netzwerkökonom Yochai Benkler eine noch größere Vielfalt der nicht-kommerziellen und sozialen Parallelökonomien. Diesen Weg hat der Hamburger IT-Spezialist Til Sternel für sich schon entdeckt. Er hat das Hilfs- und Handelsprojekt project27.net in Kapstadt gegründet und damit die Idee global-lokaler Solidarität greifbar gemacht: Mit einem geringen Monatsbeitrag finanzieren Spender von project27 ein Weingut, dessen Gewinn 60 Waisenkindern aus Kapstadts größter Township eine Zukunft sichert. TARIK AHMIA

Hängematten aus Guayana: http://ns1.gol.net.gy/rweavers/intro.html Wein aus Kapstadt: www.project27.net