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Archiv-Artikel

Radikal und illegal

UNTERGRUNDPRESSE I Linksradikale Debatten finden heute im Internet statt. Doch auch unterm Ladentisch liegt noch manches militante Blatt

VON VOLKER HAASS

Mit mehr oder weniger klaren Aufforderungen zu Gewaltaktionen wollen linke Untergrundmedien den revolutionären Prozess vorantreiben. Der Staat reagiert mit Durchsuchungen von Buchläden und Klagen gegen deren Besitzer. Doch hat sich das klandestine Treiben längst ins Internet verlagert.

„Als militante AktivistInnen der revolutionären Linken zielen wir auf eine praktisch erprobte und erfolgreich umgesetzte Konzeption militanter Politik“, schreibt eine militante linke Gruppe namens „Revolutionären Aktionszellen“ in der radikal Nr. 162. Auf der nächsten Seite findet der Leser eine Bauanleitung für „gasaki – ein kombinierter brand-/sprengsatz niedriger intensität“.

Die Zeitschrift erlebte seit ihrer Gründung 1976 schon mehrere Auszeiten, seit 1984 wird sie klandestin hergestellt und unter der Ladentheke verkauft. Im Sommer 2009 belebte ein neues Redaktionskollektiv die Zeitschrift und brachte seither drei Ausgaben heraus.

Was zeichnet eine Untergrundzeitschrift aus? Nach Auskunft des Verfassungsschutzes aus Köln handelt es sich um solche Publikationen, deren Verfasser und Herausgeber unbekannt sind und die militante Inhalte vertreten oder Bauanleitungen für Sprengsätze beinhalten. Um dem Vertrieb der Hefte zuvorzukommen, durchsuchte die Polizei im Juni vorigen Jahres mehrere Buchläden und beschlagnahmte das Periodikum Interim. Es folgte ein Verfahren der Staatsanwaltschaft gegen den Besitzer des „OH 21“, eines linken Buchladens in Berlin-Kreuzberg, welches das Amtsgericht Berlin jedoch einstellte.

„Hier werden die Buchläden als Vorinstanz des Verfassungsschutzes instrumentalisiert“, kritisiert Ulrich von Klinggräf, der Anwalt des Buchhändlers, die Vorgehensweise der Behörden.

Lutz Schulenberg ist Verleger der Edition Nautilus und veröffentlichte unter anderem im vergangenen Jahr die viel diskutierte Streitschrift „Der kommende Aufstand“ in Deutschland. Er sieht es gar als seine publizistische Pflicht an, Texte mit subversivem Inhalt zu verbreiten: „Geschichte wird von Menschen gemacht und der freiheitlich-demokratische Staat ist nicht ihre Endstation.“

Unabhängig von dieser Diskussion hat sich in den letzten Jahren der Großteil linksradikaler Kommunikation ins Internet verlagert. Auch klandestine Printmedien wie radikal, Interim oder prisma veröffentlichen in Blogs oder auf Portalen wie projektwerkstatt.de. Dabei bekommen sie Konkurrenz von anderen Angeboten: „Untergrundzeitungen spielen für mich keine große Rolle. Internetforen bieten sich heutzutage viel besser für Debatten an“, erzählt einer aus der Antifaschistischen Linken Berlin.

Wie wichtig ist dann überhaupt eine gedruckte Untergrundpresse, wenn das meiste im Netz jederzeit und auf allen Kontinenten zur Verfügung steht? „Innerhalb der linksradikalen Szenen braucht es Medien, die sich der staatlichen Kontrolle entziehen“, unterstreicht einer von der Roten Hilfe die bleibende Bedeutung des Genres. Dafür sieht er einen einfachen Grund: „Eine Debatte über das ‚Ob‘ oder ‚Wie‘ von politischer Gewalt ist in legalen Medien einfach nicht möglich.“