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Archiv-Artikel

„Subkulturen zu etablieren ist wichtig“

VIRTUELLER UNTERGRUND Szene-Hacker gehören nicht nur in den Untergrund, erklärt Daniel Domscheit-Berg

Daniel Domscheit-Berg

■ 32, ist Diplom-Informatiker und Mitbegründer von OpenLeaks. Zuvor arbeitete er unter dem Pseudonym „Daniel Schmitt“ als Sprecher von WikiLeaks.Foto: Archiv

taz: Gehört die Hacker-Szene zum Underground?

Daniel Domscheit-Berg: Es gibt bestimmt Teile dieser Kultur, die man dem Underground zuordnen kann. Aber ich glaube, vor allem die Hacker-Community ist extrem breit aufgestellt, also vor allem auch sehr heterogen, was die Leute betrifft. Ich würde sagen, dass das sowohl im Untergrund als auch oben drüber abläuft. Gerade das ist eine der Stärken dieser ganzen Angelegenheit: dass sie eben in allen Gesellschaftsbereichen zu finden ist.

Welcher Teil davon gehört definitiv dazu?

Vieles von dem, was mit Security, Analyse und Research zu tun hat, läuft im Untergrund ab, und es gibt bestimmt auch eine politische Kultur, die dazugehört. Aber die Abgrenzung ist echt schwierig. Ich würde zum Beispiel „Anonymous“ niemals der Hackerkultur zurechnen. Das ist eher so ein Internetphänomen.

Wie steht es mit Ihnen selbst?

Also wir waren bestimmt, auch mit WikiLeaks, zu Beginn ein Teil des Untergrunds. Das ist wahrscheinlich immer so. Jede Subkultur ist für eine gewisse Zeit im Untergrund. Doch sobald sich das Ganze zu einer handfesten Idee etabliert, zu einer Strömung oder Bewegung wird und weiter wächst, wird es Teil des Establishments. Das bleibt nicht aus.

Wie positiv ist eine solche Entwicklung?

Es ist immer gut, wenn Sachen nicht im Untergrund passieren, sondern sich etablieren und in die Öffentlichkeit gelangen. Das gilt auch für Hacking, weil es Themen umfasst, die auch für den Staat von Interesse sind: das Verständnis von Technologie, das Bewusstsein über Sicherheitsprobleme oder die Möglichkeit einer unabhängigen Kontrolle, wie zum Beispiel durch den Chaos Computer Club (CCC). Die Etablierung ist wichtig, damit die Mechanismen der Gesellschaft zur Verfügung stehen und nicht nur einem kleinen Untergrund, der in seinem eigenen System gefangen ist.

Den CCC kennen Sie selbst sehr gut – vor allem die rote Couch im Keller der Clubräume Berlin.

Der CCC ist eigentlich eine Familie, wenn man so will. Das ist eher eine Lebenseinstellung als eine Institution. Aber nur, weil sich die rote Couch im Untergrund, also im Untergeschoss befindet, ist das trotzdem keine Untergrund-Angelegenheit mehr. Das hat sich in den letzten Jahren so gewandelt, heute ist er Teil einer etablierten Kultur geworden.

Was zieht die Szene in solche Clubräume?

Ich glaube, wenn man virtuell mit Leuten zu tun hat, dann läuft das früher oder später drauf hinaus, dass man auch physisch mit denen zu tun haben will – zumindest, wenn man sie leiden kann. Rein virtuell ist das doch nicht die volle Befriedigung, zwischenmenschlich betrachtet. Die Räume stehen allen möglichen Leuten offen, wodurch auch ein Gemengelage aus den verschiedensten Leuten entsteht, die vielleicht sehr unterschiedlicher Natur sind, die aber zumindest aufgrund dieser physischen Präsenz die Möglichkeit haben, sich so auszutauschen und auch Sachen face to face zu klären.

Sind Sie noch ab und zu in den Räumen des CCC in Berlin anzutreffen?

Ja, die letzten Wochen war ich zwar viel unterwegs, aber eigentlich bin ich da schon immer noch zugange.

INTERVIEW: MANDY SCHÜNEMANN