: Schnittstelle statt Untergrund
CHAOS COMPUTER CLUB In Robin-Hood-Manier werden Daten geteilt und Gleichgesinnte gesucht. Der Gesellschaft wird damit ein Gefallen getan
Klingeln. Einmal, zweimal, dreimal. Niemand öffnet die Eingangstür zum Altbau, in dem sich der Clubtreffpunkt des Chaos Computer Clubs (CCC) befindet. Der Eingang zum sogenannten Hackerwohnzimmer liegt in einer unscheinbaren Seitenstraße in Berlin-Mitte.
Der CCC ist eine Gruppe von Computerenthusiasten und verortet sich selbst nicht im Bereich Underground, sondern präsentiert sich der Öffentlichkeit als Schnittstelle zwischen Technologie und Gesellschaft. Trotzdem hat es etwas Anrüchiges, wenn man die Berliner „Dezentralen“ – so nennen die Mitglieder ihre Treffpunkte – betritt. Die Räume sind abgedunkelt, und der Konferenztisch mit mehr als einem Dutzend Stühlen rundherum zeigt, dass am Vortag viel gearbeitet wurde. Die drei anwesenden Mitglieder wollen mit niemandem reden; schon gar nicht mit der Presse. „Wir sind Hacker. Man ist hier, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und seine Ruhe zu haben“, sagt einer von ihnen. Ungeduldig verweist er auf die offizielle Pressestelle. So schnell, wie man drinnen ist, ist man also als Nichtnerd wieder draußen.
Die Welt der Hacker ist eine Welt voller Missverständnisse. Die Hacker des CCC haben es sich seit der Gründung 1981 zur Aufgabe gemacht, digitale und elektronische Geräte wie Programme auf Schwachstellen und Fehler zu überprüfen. Mittlerweile hat der CCC in Deutschland 3.500 Mitglieder.
Die Pressestelle des CCC reagiert schnell auf Anfragen, und das ohne Rücksicht auf die Tageszeit: Treffen um 22 Uhr mit „Erdgeist“ in der BöseBubenBar. Das Hackerklischee – lange, fettige Haare, lockere Kleidung – erfüllt Erdgeist nicht im Geringsten. Stattdessen sitzt da ein adretter Mittdreißiger mit nervösem Blick und beiger Mütze. Er ist ein offizieller Sprecher des Vereins.
Der CCC sei kein Repräsentant für irgendetwas, sondern ein parteiloser Vermittler, erklärt Erdgeist. „Wir teilen das bedingungslose Vertrauen nicht, das die Bevölkerung in die Technik hat. Wir probieren viel aus. Wenn man zum Beispiel einzeln nichtssagende Benutzerdaten eines Handys genau analysiert, bekommt man ein komplettes Persönlichkeitsbild eines Menschen. Das haben wir mit zwei Mobiltelefonen getestet“, sagt er. „Wir sind Vorreiter. Dass da sich nicht immer alles nach dem Gesetz richtet, ist klar. Vor einigen Jahren war es verboten, ein anderes Modem als das der Post zu verwenden. Auch das hat sich verändert“, sagt Erdgeist.
Wie es mit dem Cyberspace weitergeht? „Momentan macht die erste Generation mit sozialen Netzwerken Erfahrungen. Klar, dass da auch Fehler gemacht werden. In den nächsten Jahren werden Institutionen dafür bezahlt werden, Menschen ein professionelles Persönlichkeitsprofil im Internet zu erstellen“, sagt Erdgeist, der seinen Spitznamen übrigens aus Goethes „Faust“ hat. ELISABETH GAMPERL