: Ankunft im Jahr des Schweins
Es könnte sein, dass das Fremde mitunter überschätzt wird. Dass beispielsweise im fernen China zwar alles anders aussieht und anders riecht, aber tief im Innern dann doch Bezüge bestehen, mit denen niemand gerechnet hätte. Bezüge, wie dieser hier: Zum Neujahrsfest der Chinesen, das diesen Sonntag überall dort auf der Welt gefeiert wird, wo Chinesen leben, tourt das traditionelle chinesische Zhejiang-Orchester durch Europa. Gestern war die Truppe in Hannover, am heutigen Samstag ist sie in Hamburg in der Laeiszhalle. Moderiert wird das Konzert ausgerechnet von Freddy Quinn, jenem Niederösterreicher, der mit seinem Liedgut nie etwas anderes besingen wollte als zutiefst deutsche Befindlichkeiten.
Für Freddy Quinn bedeutet der Auftritt sein Comeback auf der Bühne. Was verwundert, denn nach dem astronomisch orientierten chinesischen Kalender steht eigentlich ein vielversprechendes Jahr an: Nach dem Jahr des Hundes beginnt am Sonntag das Jahr des Schweins. Dieses wird in China mit Reichtum und Wohlergehen in Verbindung gebracht, da es als Fleischlieferant die Ernährung sichert. Gerne wird das Jahr des Schweins in weiten Teilen Asiens deshalb angepeilt, um Kinder zu gebären. Schon jetzt verzeichnen die Geburtskliniken in China und Hongkong regen Zulauf werdender Eltern.
In Deutschland wird davon nichts zu spüren sein. Laut den jeweiligen Statistischen Landesämtern lebten 2005 in Hamburg 4.110 und in Niedersachsen 5.746 Chinesen und Taiwanesen. Größere öffentliche Feiern gibt es keine. Und dort, wo gefeiert wird, wird man weitgehend unter sich bleiben: Der Chinesische Verein Hamburg trifft sich im Congresszentrum und in Hannover begrüßen die Chinesen das neue Jahr heute im Lichthof der Universität.
Gefeiert wird Neujahr auch in China nicht mit Fremden, sondern im Stil von Weihnachten im Familienkreis. Wobei das Essen eine wichtige Rolle spielt. In Hamburg will Ming-Chu Yu, die Leiterin der Fachabteilung für China-Restaurants beim Hotel- und Gaststättenverband, erreichen, dass sich die chinesischen Gastronomen zum Neujahrstag zusammentun und gemeinsame Aktionen starten. Dieses Jahr wurde daraus nichts. Neujahrsmenüs gibt es trotzdem, wobei die sich je nach der Herkunftsregion der Köche unterscheiden. Was es aber immer gebe, das sei Fisch, sagt Ming-Chu Yu. „Das Wort für Fisch ist im Chinesischen das gleiche wie das für Überfluss. Man äußert so den Wunsch, dass man genug hat im nächsten Jahr.“ Klaus Irler