„Der Anruf kam am Wochenende“

Katrin Lompscher

„Der Verbraucherschutz gewinnt in Zeiten wachsender gesellschaftlicher Armut eine starke soziale Komponente.Das Krisenmanagement in Berlin wird hochgelobt. Ich werde nichts dazu beitragen, dass es schlechter wird“

Eigentlich war sie gerade dabei, sich auf den neuen Job als Lichtenberger Kulturstadträtin vorzubereiten. Doch dann waren die Koalitionsverhandlungen zu Ende, und die Linkspartei brauchte eine neue Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz. Jetzt bereitet sich Katrin Lompscher auf den neuen Job im Senat vor. Voraussichtlich am Donnerstag wird sie vereidigt. Was Lompscher weniger gerne tut: über das Rauchen reden. Das, sagt sie nur, sei ihr Laster. Gut, dass es nun raus ist. Den Nichtrauchern verspricht die 44-Jährige, dass ihr Schutz auch bei einer rauchenden Gesundheitssenatorin gut aufgehoben ist. Angst vor dem nächsten Vogelzug hat sie nicht. Und auch nicht vor dem neuen Job – obwohl der keineswegs ihre Wunschkonstellation war.

Interview UWE RADA

taz: Frau Lompscher, wie oft wurde Ihnen in der vergangenen Woche die Frage mit dem Rauchen gestellt?

Katrin Lompscher: Relativ häufig. Aber nicht so oft, wie ich befürchtet habe.

Was haben Sie geantwortet?

Dass es meine Schwäche ist.

Asche auf Ihr Haupt.

Was heißt Asche auf mein Haupt? Man muss zu seinen Lastern stehen.

Haben sie an Ihr Laster denken müssen, als Sie erfahren haben, dass Sie Senatorin werden?

Ehrlich gesagt: Daran hab ich nicht gedacht.

Auch dann nicht, als Sie zum ersten Mal gelesen haben: Raucherin wird Gesundheitssenatorin?

Da hab ich gedacht: Gott sei Dank, jetzt ist es raus.

Sie reden lieber über andere Dinge, was?

Es gibt Wichtigeres, das stimmt.

Als Gesundheitssenatorin müssen Sie demnächst ein Raucherschutzgesetz vorlegen.

Falsch, ein Nichtraucherschutzgesetz.

So steht es im Koalitionsvertrag.

Und das ist richtig. Ein wirkungsvoller Schutz von Beschäftigten am Arbeitsplatz ist beispielsweise ohne Nichtraucherschutz nicht möglich. Insgesamt müssen Nichtraucher besser geschützt werden.

Auch von einer Raucherin?

Nichtraucherschutz heißt doch, dafür zu sorgen, dass Nichtraucher keinen gesundheitlichen Benachteiligungen ausgesetzt sind. Dafür habe ich in dem Amt verschiedene Möglichkeiten – ob als Raucherin oder nicht.

Was haben Sie in der vergangenen Woche sonst gemacht – außer Interviews zum Thema Rauchen zu geben?

Ich bin gegenwärtig im Bezirksamt Lichtenberg tätig, wo ich nach der Wahl ein neues Ressort übernommen habe. Natürlich nehme ich dort weiterhin meine Aufgaben wahr. Außerdem bereite ich mich auf meine neue Aufgabe im Senat vor. Über mangelnde Beschäftigung kann ich nicht klagen.

Die Linkspartei hat Sie für den neuen Senat als Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz nominiert. Waren das bislang für Sie Bücher mit sieben Siegeln?

Nein, keinesfalls, weil ich von meiner beruflichen Entwicklung her Generalistin bin und als politisch aufgeschlossener Mensch diese Themen seit längerem verfolge. Eine Vorstellung von den Dingen, die da auf mich zukommen, habe ich also. Allerdings gehöre ich nicht zu den Perfektionisten, die meinen: An dem Tag, an dem ich in ein neues Amt komme, muss ich über alle Dinge Bescheid wissen. Das kann niemand, und wer das behauptet, sagt nicht die Wahrheit.

Als Sie erfahren haben, auf welche Ressorts es hinausläuft – haben Sie da geflucht?

Es war zunächst nicht meine Wunschkonstellation, aber in der Zusammensetzung des Ressorts liegen viele Chancen und Gestaltungsmöglichkeiten.

Stadtentwicklung wäre Ihnen lieber gewesen?

Es geht in der Politik nicht darum, was man sich wünscht. Wenn es anders kommt, muss man schauen, ob es Ansatzpunkte gibt, die es einem aus dem eigenen Tun und aus der Gesamtkonstellation heraus sinnvoll und richtig erscheinen lassen, die Aufgaben zu übernehmen. Diese Punkte gibt es für mich. Zudem gibt es mit dem Koalitionsvertrag einen guten Fahrplan für die Felder, auf denen ich tätig sein werde. Das bestärkt mich in meiner Entscheidung.

In welchem Moment hat Sie die Nachricht erreicht?

Am Wochenende, als ich eigentlich entspannen wollte – an dem ich aber auch mit einem Telefonanruf gerechnet habe.

Was geht einem in dem Moment durch den Kopf? Geht man da die einzelnen Politikfelder durch? Überlegt, wo sind die Fallstricke? Wo kann ich punkten? Wie komme ich rüber?

Nein, so kompliziert ist das gar nicht, zumindest nicht in diesem ersten Moment. Zunächst einmal geht es darum, ob man überhaupt die Bereitschaft hat, auf die Landesebene zu wechseln. Wenn dem so ist, ist das Politikfeld, auch wenn es nicht das angestammte ist, zweitrangig. Danach habe ich angefangen, darüber nachzudenken: Was weiß ich darüber? Wie funktioniert das? Aber das alles war in dem Moment noch eher unsortiert, weil ich das noch nicht von innen kenne, sondern nur von außen. Ich habe das auch nicht vertieft, weil ich mir die Dinge, wenn es denn sein soll, erst einmal genau anschauen werde. Das wird dann aber eine sehr intensive Phase der Auseinandersetzung werden.

Als Sie die drei Ressorts hörten, haben Sie da spontan gedacht: Das oder jenes ist mir das liebste?

Da ich aus der Stadtentwicklung komme, bringe ich zur Umwelt den stärksten Zugang mit. Die Gesundheitspolitik wird angesichts des Stellenwerts, den sie gerade in Berlin hat, natürlich ein Schwerpunkt meiner Arbeit werden. Der Bereich Verbraucherschutz schließlich gewinnt gerade in Zeiten wachsender gesellschaftlicher Armut eine starke soziale Komponente hinzu. Eine Hierarchie der Ressorts gibt es da nicht.

Beim Verbraucherschutz gibt es ja ein Role Model, wenn auch in Grün: die einstige Bundesministerin Renate Künast.

Der Verbraucherschutz ist zunächst mal ein relativ junges Politikfeld. Umso mehr wird es meine Aufgabe sein, die Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Vertretung ihrer Interessen zu unterstützen. Insgesamt war es bei der Ressortverteilung ja übersichtlich, um welche Felder es sich handeln würde. Dass zu Gesundheit und Verbraucherschutz aber die Umwelt kam, war eine angenehme Überraschung. Die Kombination finde ich ausbaufähig.

Sie müssen künftig die Feinstaubkonzentration bekannt geben und erklären, warum sie immer noch so hoch ist. Eine Herausforderung?

Die Messung von Werten ist nicht unbedingt eine politische Handlung. Das Interessante ist der Umgang mit Problemen.

Berlin ist nicht nur eine Nichtraucherstadt, Berlin ist auch Autostadt. Als Umweltsenatorin müssen Sie sich auch mit der Autolobby anlegen.

Berlin ist auch eine Fahrradstadt und hat den niedrigsten Autofahreranteil aller deutschen Großstädte. Mein Eindruck ist nicht, dass die Autolobby in Berlin größer ist als anderswo.

Sind Sie vom Charakter überhaupt jemand, der sich gerne anlegt?

Nein. Ich bin eindeutig jemand, der gerne Probleme löst. Wenn man sich zu diesem Zweck anlegen muss, werde ich das auch tun. Aber im Moment gibt es noch niemanden, mit dem ich mich anlegen müsste.

Mit dem Koalitionspartner zum Beispiel.

Die Vereinbarungen, die wir im Koalitionsvertrag getroffen haben, sprechen da eine andere Sprache.

Katrin Lompscher ist bislang als Bezirkspolitikerin bekannt – als Stadtentwicklungsstadträtin in Lichtenberg. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Martin Lindner hat ihre Nominierung mit den Worten kommentiert, die Personalie Lompscher zeige nur, wie wie jämmerlich dünn die Personaldecke der PDS sei. Wie wollen Sie sich auf Landesebene bekannt machen?

Durch überzeugende Arbeit. Natürlich muss ich erst mal schauen, wie sich die Aufgaben darstellen und in welcher Rang- und Reihenfolge die Themen zu bearbeiten sind.

Auf Ihnen lastet ein ungeheurer Erwartungsdruck. Sie müssen nicht nur eine erfolgreiche Senatorin sein. Als Ostlerin und Frau sollen Sie auch noch die Seele ihrer Partei und Wählerschaft streicheln.

Diese Erwartungshaltung gibt es, aber sie steht nicht im Vordergrund. Das wäre übertrieben. Was auf jeden Fall zu tun ist, ist die Kommunikation und Kooperation zwischen den Senatoren der Linkspartei auszubauen. Da ist es bestimmt nützlich, wenn jemand wie ich die Erfahrungen aus der Bezirkspolitik einbringt, auf der viel stärker über die Parteigrenzen hinweg zusammengearbeitet wird. Die Arbeit ist eher auf Kooperation und Kommunikation angelegt.

Wir schließen daraus, dass die Fähigkeit zur Kommunikation bei Kultursenator Thomas Flierl nicht besonders ausgeprägt war.

Auch Thomas Flierl hat über Erfahrungen in der Bezirkspolitik verfügt, als er Senator wurde. Aber Ihre Schlussfolgerung teile ich ohnehin nicht.

Was hat die Linkspartei bewogen, die Namen ihrer Senatorin gleich nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen bekannt zu geben?

Es gab keinen Grund, ihn zurückzuhalten. Zudem wollten wir Spekulationen vermeiden. Diese Offenheit finde ich richtig.

Bei der SPD wird munter weiterspekuliert. Ärgert Sie das Gebaren des Regierenden?

Es ist nicht meine Aufgabe, die Personalauswahl der SPD zu kommentieren.

An den Koalitionsverhandlungen waren Sie nicht ganz unbeteiligt. Sie haben die Gruppe Stadtentwicklung bei der PDS geleitet. War das wirklich alles so geräuschlos und harmonisch, wie es heißt?

Es gab tatsächlich große Schnittmengen, in vielen Bereichen. Aber es war nicht so, dass es in allem eine hundertprozentige Übereinstimmung gab.

Gerade in Ihrem Bereich, der Stadtentwicklung, gab es auch einige Dissenspunkte. Ich nenne nur die weitere Entwicklung des Spittelmarkts.

Das ist in der Politik nicht ungewöhnlich.

Ist es auch nicht ungewöhnlich, wenn Linkspartei-Landeschef Klaus Lederer und Wirtschaftssenator Harald Wolf drei Miniressorts als Erfolg verkaufen?

Ich stimme in der Einschätzung mit beiden überein und denke, dass unsere Vorgehensweise insgesamt redlich war. Wir waren redlich. Wir haben nie ein Hehl draus gemacht, was wir wollten. Aber wir haben uns auch nicht mit dem zufrieden gegeben, was man uns geben wollte. Wir haben drei Ressorts, die Gestaltungsspielraum haben. Dazu gehört auch meins.

Frau Lompscher, wissen Sie denn, wann der nächste Vogelzug beginnt?

Da sie jetzt alle weg sind, werden sie wohl erst im Frühjahr wiederkommen.

Bis dahin ist also noch etwas Zeit, sich mit dem Thema Vogelgrippe zu beschäftigen. Haben Sie Erfahrung mit Krisenmanagement?

Das Krisenmanagement in Berlin wird hochgelobt. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass es immer sehr schnell und gut funktioniert hat. Ich werde nichts dazu beitragen, dass es schlechter wird.

Haben Sie noch eine Botschaft für unsere Leser? Einen guten Vorsatz zum neuen Jahr zum Beispiel?

Da Sie bestimmt schon wieder auf das Rauchen anspielen: Ich bin froh, dass ich schon deutlich weniger rauche. Und zwar nicht erst, seitdem ich als Senatorin nominiert wurde.