: Der Sport steht still
JAPAN Nach der Katastrophe werden nahezu alle Sportveranstaltungen abgesagt. Die WM der Eiskunstläufer wird auf einen späteren Zeitpunkt verschoben
BERLIN/TOKIO taz/dpa | Pierre Littbarski ist ein Kenner Japans. In den Neunzigerjahren dribbelte er in der J-League – für die Vereine in Ichihara in der Nähe von Tokio und Sendai. Sendai ist besonders schlimm vom Tsunami heimgesucht worden, der sich nach einem Erdbeben der Stärke 9,0 gebildet hatte. Das Stadion wurde überschwemmt, die Mannschaft von Trainer Makoto Teguramori hat sich praktisch aufgelöst. Sie haben jetzt anderes zu tun, als Fußball zu spielen. „Die Situation dort geht mir sehr nahe“, sagte Littbarski, Trainer des VfL Wolfsburg, nach der Katastrophe an Japans Ostküste am Wochenende.
Der gesamte Spielbetrieb wurde vom japanischen Fußballverband JFA ausgesetzt. Bis Ende des Monats soll die Auszeit dauern. Am 25. März aber soll es in Shizuoka gegen Montenegro und vier Tage später in Tokio gegen Neuseeland schon wieder zwei Länderspiele geben. „Es ist bedeutsamer denn je, die Spiele auszutragen. Besonders die Begegnung in Tokio wird ein Zeichen sein, und wir müssen dem Rest der Welt ein Zeichen senden“, sagte JFA-Generalsekretär Kozo Tashima ungeachtet der Ausreise von Japans Nationalcoach Alberto Zaccheroni und vier seiner Assistenten in die italienische Heimat. „Wir müssen der Welt zeigen, dass Tokio funktioniert, dass die Stadt lebt und die Ordnung wiederhergestellt wird“, so der Funktionär.
Zaccheroni sagte, er sei mit Erlaubnis des Verbandes nach Italien zurückgekehrt, um seine Familie zu beruhigen. Er ließ offen, wann er wieder in Japan sein werde, um sich ums Nationalteam zu kümmern, versprach aber, „so bald wie möglich“ zurück zu sein. Auch der Spielbetrieb in der Baseball-Liga ist betroffen; Spiele in Tokio, Chiba und Yokohama wurden abgesagt. Aus Angst vor einer Eskalation beorderte der Deutsche Judo-Bund (DJB) seine Nationalteams um Olympiasieger Ole Bischof aus ihren japanischen Trainingslagern nach Hause zurück. Entgegen ursprünglichen Plänen ordnete der DJB nach Veröffentlichung einer Reisewarnung des Auswärtigen Amtes die sofortige Rückkehr seiner Aktiven aus Nippon an. „Sicherheit geht vor. Deswegen haben wir rigoros beschlossen, die Teams zurückzuholen“, sagte DJB-Pressesprecherin Birgit Arendt.
Durch die Ereignisse ist der Eislauf-Weltverband ISU wegen der ab dem 21. März geplanten Eiskunstlauf-WM in Japans Hauptstadt Tokio in die Bredouille geraten. Der Trainer der Paarlaufeuropameister Sawtschenko/Szolkowy kritisierte die zögerliche Haltung von ISU-Präsident Ottavio Cinquanta: „Es würde uns sehr schwerfallen, jetzt in Tokio auf lustig zu machen. Die Menschen haben ganz was anderes im Kopf und andere Sorgen als Eiskunstlaufen.“ Frankreichs Verband holte seinen bereits angereisten Europameister Florent Amodio zurück. Es hieß, die Kanadier dürften ebenso wie die deutschen Läufer selbst über ihre WM-Teilnahme entscheiden. Gestern war es dann so weit: Der Weltverband verschob die WM. In einigen Wochen sollen die Titelkämpfe an einem anderen Ort stattfinden.
Der Sport in Japan ist derzeit praktisch lahmgelegt. Nach den schon am Tag des Bebens abgesetzten Spielen der beiden Fußballprofiligen wurden unter anderem auch der Marathon am Sonntag in Nagoya sowie zwei Spiele von japanischen Mannschaften in Asiens Fußball-Champions-League abgesagt. Betroffen sind die Partien von Nagoya Grampus gegen Al-Ain aus den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie das Match der Kashima Antlers gegen den FC Sydney.