berliner szenen Trendsetting im Knaack

Das ist eine Gabel

Samstagmorgen, vier Uhr. Schon wieder Knaack. Wir stehen an der Bar und versuchen, mit dem Schwitzen aufzuhören. Henne bezahlt. Der Ärmel seines Shirts entblößt sein Handgelenk. Mein Blick bleibt kleben, saugt sich fest, ungläubig: „Was ist das denn?“ Der beste Freund klimpert stolz mit dem Schmuckstück, das er sich in Ermangelung einer Armbanduhr um die Handwurzel gewunden hat: „Cool, oder?“, grinst er und reicht mir eine Flasche, „hab ich mir selbst ausgedacht.“ Manchmal mache ich mir echt Sorgen um ihn.

„Henne, das ist eine Gabel“, sage ich so einfühlsam, wie es bei der Beschallung möglich ist. „Heute noch“, ruft er triumphierend und stößt sein Bier gegen meins, „morgen ist es Trend.“ Ich schaue mich um: Männer wie Schrankwände schubsen sich gegenseitig über die Tanzfläche. Rechts hinten küssen sich zwei Grazien. Dem betrunkenen Alten daneben läuft Spucke aus dem Mund. Ich weiß nicht, ob das hier der richtige Ort ist, um Trends zu kreieren. Die Scouts der Lifestyle-Magazine tanzen doch bestimmt nicht zu Michael Jackson.

„Beat it!“ kreischen wir, reißen die Arme in die Luft und lassen uns treiben. Plötzlich verliere ich den Takt. Mein Blick bleibt an einer Telefonwählscheibe hängen. Verträumt steht einer der Schränke am Rand und dreht an dem, was er sich statt einer Gürtelschnalle an die Hose geklemmt hat. Er ist drei Meter groß und zwei Meter breit. „Tanzt du mit mir?“, ruft er mir zu. Ich versuche, das Möbelstück zu ignorieren. Henne hopst hilfsbereit hinzu. Der Schrank guckt. Nach einer Weile tippt er meinem Retter auf die Schulter und brüllt ihm etwas ins Ohr. Henne hebt fröhlich die Gabelhand. Dann beugt er sich zu mir herunter: „Hast du noch ein altes Telefon?“ LEA STREISAND