LESERINNENBRIEFE :
Täuschung hat Methode
■ betr.: „Merkels Kettenreaktion“ u. a., taz vom 15. 3. 11
Angesichts der kommenden Landtagswahlen und vor dem Hintergrund der Katastrophe in Japan droht der CDU selbst ein GAU. Das Moratorium soll die Christlich-Liberalen mit der Aura umgeben, sie stünden ökologisch-nachhaltigem Denken und Handeln gegenüber offen. In zwei Monaten, nach den Wahlen in Baden-Württemberg und Bremen, wird es dann heißen: umfangreiche und tiefgehende Analysen hätten übereinstimmend ergeben, dass die Situation und die Sicherheitsstandards in den deutschen AKW mit denen in Japan nicht zu vergleichen seien und dass die Begründung für ein weitergehendes Moratorium (der Laufzeitverlängerung) nicht mehr gegeben sei. Ist es auch Täuschung, so hat es doch Methode.
STEFAN SCHMITT, Brüssow
Verlustgeschäft für die Menschheit
■ betr.: „Drei Reaktoren in Fukushima außer Kontrolle“, taz 15. 3. 11
Auffällig ist allerorten die Provinzialität des Info-Standes über den Leichtsinn vorab und nun die der Reaktionen. Die Auswirkungen der friedlosen Nutzung der Kernenergie scheren sich aber weder um National- noch um Kontinentalgrenzen. Wann werden die Welt und ihre Potentaten endlich nüchtern konstatieren, dass das Atomgeschäft ein Verlustgeschäft ist – für die gesamte Menschheit.
ALBRECHT W. THÖNE, Schwalmstadt
Pädagogik aus dem Mittelalter
■ betr.: „Merkel: Lern Deutsch, du Opfer!“, taz vom 11. 3. 11
Schwarz-Gelb mit schwarzer Pädagogik aus dem gefühlten tiefen Mittelalter. Mit mehr Druck geht mehr rein – das stimmt für Luft im Autoreifen, aber nicht fürs Lernen, und das könnte auch Frau Merkel wissen. Ich habe bei einer jungen Frau, die hier studieren wollte, erlebt, wie der Druck der Ausländerbehörde das konzentrierte Lernen unmöglich machte. Kaum dauerte eine Prüfung ein paar Monate zu lange, schon mussten große Teile der Kraft und Energie auf die Ausländerbehörde statt aufs Lernen verwendet werden. Und die Angst half auch nicht. Sie musste schließlich zermürbt aufgeben. Wie wäre es denn damit, einmal die Qualität und Adressatengerechtigkeit der Kurse zu untersuchen? Naheliegend, dass hier das Problem liegt, wenn man plausibel davon ausgeht, dass Leute, die hier leben, natürlich Deutsch lernen wollen, anstatt von der impliziten (absurden) Prämisse, dass Ausländer faul sind und per se gar nichts lernen wollen. SILKE KARCHER, Berlin
Zukunft ist mehr als Deutsch lernen
■ bet.: „Sarrazin wird Gesetz“, taz vom 11. 3. 11
Seit diesem Jahr arbeite ich in einer interkulturellen Einrichtung, die auch die sogenannten Integrationskurse anbietet. Sicherlich lässt sich über den Sinn und die Qualität dieser Kurse streiten, z. B. wenn junge Frauen mit sehr guten Kenntnissen der deutschen Sprache vom Jobcenter in einen Anfängerkurs geschickt werden oder älteren Menschen ein Anschlusskurs verwehrt wird, weil sie den vorgeschriebenen Test nicht mit dem gewünschten Ergebnis bewältigt haben. Meine Erfahrung ist, die Kurse werden häufig mehr als Repressions- denn als Unterstützungsmaßnahmen gehandhabt. Doch wissen wir, dass wir nur gute Bedingungen für Lernen schaffen können, wenn den Lernenden mit Respekt und Empathie begegnet wird. Dann sind auch Deutschkurse erfolgreich.
Zu mir kommen häufig Menschen mit verschiedenen Anliegen, da geht es um eine Aufenthaltserlaubnis für eine Mutter, deren Kinder in Deutschland geboren sind, oder die Abschiebung von Flüchtlingsfamilien, die sich sehr gut integriert haben und deren Kinder niemals andere Schulen als deutsche besucht haben. Hinter diesen Menschen stehen individuelle Schicksale und Lebensläufe, die häufig sehr hart sind und von ihnen bewundernswert gemeistert wurden. Ihnen allen droht letztendlich im Zweifelsfall die Abschiebung, ein Damoklesschwert, das die gesamte soziale und wirtschaftliche Existenz bedroht. Besonders absurd ist dabei die Diskussion um Jugendliche. Wohin sollen junge Menschen gehen, die hier aufgewachsen sind und hier sozialisiert wurden? Ist es nicht auch die deutsche Gesellschaft, in der SchulverweigererInnen, Dealer oder GewalttäterInnen produziert werden, weil sie noch immer nicht in der Lage ist, für viele Kinder und Jugendliche einen angemessenen Schulabschluss und eine Perspektive zu ermöglichen? Da werden Probleme, die hausgemacht sind, in scheinbare Herkunftsländer abgeschoben.
Bei der Diskussion um Abschiebung und Begrenzung der Zuwanderung wird außerdem ein wichtiger Sachverhalt völlig ausgeblendet: Laut der Bevölkerungsprognosen braucht Deutschland EinwanderInnen. MigrantInnen sind also unsere Zukunft und haben es sich verdient, mit Toleranz und Akzeptanz behandelt zu werden. Das heißt auch die konkrete Verbesserung ihrer Lebensbedingungen und ihrer Chancen auf eine gute Zukunft, wozu wesentlich mehr gehört als die Kenntnis der deutschen Sprache allein. Dies gilt ganz besonders für diejenigen, die Deutschland aus den verschiedensten Gründen längst zu ihrer Heimat gemacht haben. Eine Verschärfung des ohnehin sehr restriktiven Ausländerrechts wäre hierfür eine Katastrophe. FRIEDRIKE AHLERS, Berlin