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Archiv-Artikel

Mehdorn wird gedeckelt

Hauptbahnhof-Architekt gewinnt Urheberrechtsstreit gegen die Bahn und darf Gewölbedecke im Tiefgeschoss bauen. Gericht: Blechdecke muss raus, Entwurf sonst verfälscht. Revision angekündigt

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Der Berliner Hauptbahnhof muss umgebaut werden. Meinhard von Gerkan, der Architekt des gläsernen Verkehrsknotens, hat gestern im Rechtsstreit gegen die Deutsche Bahn AG in erster Instanz gewonnen. Dabei gab das Landgericht der Urheberrechtsklage des 71-Jährigen statt. Nach diesem Urteil muss die Bahn AG die riesige Flachdecke im Tiefgeschoss der Station entfernen, weil sie von Gerkans Entwurf verfälsche. Die Bahn muss nun die ursprüngliche Gewölbedecke realisieren. Der Architekt hatte im vergangenen Herbst das Unternehmen verklagt. Im Einbau der Flachdecke sah von Gerkan den gesamten, 700 Millionen Euro teuren Bau in seiner architektonischen Wirkung beschädigt. Das Urteil ist auch eine Niederlage für Bahnchef Hartmut Mehdorn, der sich mehrfach gegen den Bau der Gewölbedecke ausgesprochen hatte.

Der Vorsitzende Richter Peter Scholz anerkannte gestern ausdrücklich von Gerkans „schöpferische“ Urheberrechte an seinem Entwurf. Der im Mai eröffnete Bahnhof bilde ein Kunstwerk. Dessen Veränderung durch eine standardisierte Blechdecke habe eine „tiefgreifende“ Entstellung zur Folge. Er wies die Einwände der Bahn zurück, die Gewölbedecke von Gerkans sei zu teuer. Der Bauherr habe nicht automatisch das Recht, die eigenen Vorstellungen gegen die des beauftragten Architekten durchzusetzen.

Die Verhandlung vor dem Landgericht verlief zeitweise turbulent. Der Anwalt der Bahn, Winfried Bullinger, sprach von Gerkan den Urheberrechtsschutz ab, weil die geplante kunstvolle Gewölbedecke zu „massiven Kostenüberschreitungen“ geführt hätte. „Die Bahn hat von Beginn an auf Kostenzurückhaltung Wert gelegt“, sagte er. Als ein anwesender Bahnvertreter den Flachdeckeneinbau mit dem Satz begründete, „auch ich muss sparsam mit Geld umgehen“, platzte von Gerkan der Kragen. Er brüllte: „Ihr Geld! So etwas ist unglaublich!“ Die Bahn investiere schließlich Steuergelder und keine privaten Summen.

Nach Ansicht von Alexander Baden, Rechtsanwalt des Büros von Gerkan, war bei dem Rechtsstreit die Frage der Kostenüberschreitung aber „unbedeutend“. Sein Mandant habe zwar einen Architektenvertrag mit der Bahn AG gehabt, der sogar eine „Änderungsklausel“ beinhaltete und dem Bauherrn Änderungswünsche zugestand. Weil die Bahn aber den Entwurf genehmigt hatte und das Eisenbahnbundesamt dies ebenfalls tat, sei eine Korrektur der Pläne „ohne Abstimmung“ mit dem Architekten „rechtswidrig und ein Verstoß gegen das Urhebergesetz“.

Das Gericht folgte dieser Argumentation. Die Bahn habe die ursprüngliche Planung genehmigt, so die Begründung. Damit sei jede Korrektur ohne Zustimmung der Architekten nicht mehr möglich gewesen. Der Flachdeckeneinbau stelle eine einseitige Änderung der Planung durch den Bauherrn dar. Dies sei ein Verstoß. Das geistige Werk des Architekten stehe in diesem Fall über wirtschaftlichen Interessen. Die möglichen Kosten von 40 Millionen Euro, die beim Umbau anfallen könnte, seien für das Urteil nicht relevant.

Meinhard von Gerkan freute sich über das Urteil. Die Motive der Bahn seien „nicht nachvollziehbar gewesen“. Schon 1996, zu Zeiten des Entwurfs, sei die Decke festgelegt worden. Der „Vorzeigebau des deutschen Bahnverkehrs“ könne jetzt so gebaut werden wie geplant. Die mögliche dreijährige Umbauzeit könne ohne größeren Störungen vollzogen werden. Von Gerkan zeigte sich zugleich versöhnlich. Er hoffe, dass sich „mit der Bahn noch eine gütliche Einigung“ herstellen lasse. Diese hatte schon vor dem Urteil angekündigt, sie wolle bei einer Niederlage die Revision beantragen.