: Besondere Arbeitsbedingungen
betr.: „Unicef-Studie: Deutsche Kinder haben keine gute Lebensumwelt. Deutschland überfordert seine Mütter“, Kommentar von Heide Oestreich, taz vom 15. 2. 07
Wenn Frau Oestreich das Ergebnis der Unicef-Studie nicht passt, mag sie die Vorgehensweise der Studie kritisieren. Dass sie aber in ihrem Kommentar diese Ergebnisse absichtlich missachtet, weil sie nicht in ihr Weltbild passen, ist nicht hinnehmbar.
Wie erklärt sie es, dass ausgerechnet die Bundesländer, in denen ein konservatives Familienbild besonders intensiv von Politik und Gesellschaft gepflegt wurde und wird, überdurchschnittlich gut bei der Unicef-Studie abschneiden? Das mag an allem Möglichen liegen, nicht aber an guten außerhäuslichen Betreuungseinrichtungen, bzw. einem „modernen“ Familienmodell. Sonst müssten die Ergebnisse der ostdeutschen Bundesländer mit ihrem ausgebauten Krippen- und Hortsystem deutlich besser sein und die Ergebnisse der süddeutschen mit ihrer fehlenden Krippen- bzw. Ganztagsschulstruktur viel schlechter. Diese Betreuungssysteme sind zweifellos notwendig, hinreichend für eine substanzielle Besserung der Situation der Kinder und damit auch für deren Mütter sind sie jedoch nicht. Wie sich in diversen Umfragen herausgestellt hat, glauben das vor allem Kinderlose.
Die Wünsche von Oestreich nach einem besseren Betreuungssystem sollte man teilen, dessen Effektivität für ein höheres Wohlbefinden der Kinder ist aus der Unicef- Studie allerdings nicht abzuleiten, auch nicht auf europäischer Ebene. Vielleicht sollte sich Frau Oestreich mal klarmachen, dass ein gutes Betreuungssystem die Familienerziehung ergänzen kann und muss (und manchmal leider auch ersetzen muss), aber eine halbwegs funktionierende (bürgerliche Klein-)Familie ist immer noch der beste Garant für eine gute Lebensumwelt der Kinder, und zumindest zur Zeit zeichnet sich nirgendwo eine Alternative ab, abgesehen von Sondersituationen materiell gut Gestellter.
Auch das beste Betreuungssystem wird es Eltern niemals ermöglichen, sich so auf die Arbeitswelt einzulassen, wie dies Kinderlosen möglich ist. Das ist auch in den immer als vorbildlich vorgestellten Ländern Finnland, Schweden und den Niederlanden nicht der Fall, und deshalb haben diese Länder besondere Arbeitsbedingungen für Mütter/Eltern geschaffen. Solange diese „Privilegierungen“ für Menschen mit heranwachsenden Kindern im Unterschied zu Kinderlosen bzw. Menschen mit erwachsenen Kindern nicht auch in Deutschland in Angriff genommen werden, werden Mütter und in zunehmendem Maße auch Väter immer überfordert bleiben.
BIRGIT PELTZER, Kerpen
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