: Ohne Kühlung
KONZERT The Go! Team aus dem englischen Brighton brachte bei ihrem Auftritt im Lido ihren musikalischen Melting Pot ganz schön zum Brodeln
So sieht das also aus. So sieht das aus, und so hört es sich an, was man früher einmal einen „Melting Pot“ genannt hätte. Also das Zusammentreffen allmöglicher Einflüsse, Hintergründe, Kulturen, oder hier ganz konkret: Musiken. Ein etwas lahmer Einstieg, ich gebe es zu, aber bei The Go! Team aus Brighton, England, ist er tatsächlich angebracht.
Denn das Sextett, das sich im Jahr 2000 gründete, macht im positiven Sinn sozial bewegte und bewegende Musik. Da stehen zwei Schlagzeuge auf der Bühne, es gibt eine Rapperin, es gibt fröhlichen Instrumentenwechsel wie in avantgardistischeren Punkbands, es gibt Indierock- und Feedbacklärmgitarren, seltsame Samples, eine zweite weibliche Stimme, die arg quietschig klingt, und es gibt vor allen Dingen und allen weit voraus: den Bass. Den Bassisten. Der ein wenig so aussieht, als ob jedes Castingunternehmen dieser Welt ihn sofort besetzen würde, ginge es darum, einen Soul-Bassisten zu finden. So mit 70er-Wuschelfrisur, ganz besonders ausufernd, und riesenhaften Koteletten, und natürlich muss es ein weißer Schlaks sein, der mit glühenden Augen Esther Phillips preist oder Otis Redding oder wer weiß wen. Der Mann selbst heißt Jamie Bell und ist die tragende Stütze hier. Denn wenn die Band gern Rockversatzstücke benutzt, irgendwann kommt dieser soßige Bass, und auf geht es in den fast unschlagbaren Groove.
Das Publikum im unangenehm vollen Lido ging an diesem Donnerstagabend da natürlich gern mit. Es war jung und vornehmlich bestückt von Menschen, die noch nie etwas von Urban Dance Squad, Pizzicato Five oder Bis gehört haben dürften. Und selbstverständlich gab es die jungen Männer, die in beheizten Räumen Wollmützen tragen mussten, aber sonst blieb der demonstrative Faktor der Jugend erstaunlich gering.
The Go! Team hatten mit ihrer ersten Platte „Thunder, Lightning, Strike“ von 2004 und der Tour im Vorprogramm von Franz Ferdinand einigen Erfolg; die zweite und dritte Platte gingen vergleichsweise eher unter. Und wer möchte sich wirklich Musik geben, die vor allem sagt: „Let’s party like it’s 1993“? Die also Standards miteinander verbindet, Rock, Indie, Japanpop und eben HipHop, Soul und Groove, und damit 2011 irgendwie recht retro klingt.
Aber jetzt sorgte besonders Rapperin Ninja auf der Bühne für Stimmung, schickte Statements wie „This is not sweat, this is dedication“ in die Menge und moderierte souverän über eine elektrische Panne hinweg. Chi Fukami Taylor am ersten Schlagzeug und Kaori Tsuchida an allen möglichen Instrumenten sorgten für vorbildliche Emanzipation und diesen Asiapop-Einschlag. Den Rest erledigten Ian Parton und Sam Dook.
„Musikalisch war es so lala“, meinte dann später einer der Gäste nicht ganz zu Unrecht. Das lag auch an den Lido-üblichen Soundproblemen, denn Lautstärke und Feinarbeit schlossen sich beim Go! Team nicht unbedingt aus. Problem war aber eher, dass die Band nur zwei Arten von Stücken kennt: die nach Bis klingenden Asia-Japan-Indierockschlager, und eben das groovige Crossover-HipHop-Partystück, der Hit, bei dem sie mit „Ladyflash“ und „Grip Like a Vice“ Maßstäbe gesetzt haben, die sie selbst so schnell nicht mehr erreichen. Auch nicht auf ihrer neuen Platte „Rolling Blackouts“. Ganz gut war es trotzdem. So ein Melting Pot kann nämlich schon noch brodeln. Kühlung braucht’s da jedenfalls nicht. RENÉ HAMANN