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Archiv-Artikel

Alles Unheimliche wohnt im Keller

25 JAHRE FANTASY FILMFEST Der Wochenendableger „Fantasy Filmfest Nights“ zeigt, dass das Genre mit Altmeistern aus den 80er Jahren und mit frischen Trolljägern aus dem Norden weiter für Randständiges zuständig ist

VON THOMAS GROH

Rund 1.200 Jahre alt können Trolle werden, sie leben in der Nähe des norwegischen Polarkreises, und ein vor der Bevölkerung geheim gehaltenes Einsatzkommando der Regierung trägt Sorge, dass die riesenhaften Wesen mit ausgeprägter Spürnase für christliches Blut nicht zu nahe an dichter besiedelte Gegenden kommen: So dienen die zahlreichen Hochspannungsleitungen im norwegischen Hinterland eben nur auf den ersten Blick der Stromversorgung.

Auf den ersten Blick würde man den lakonischen Bartträger (Otto Jespersen), aus dessen Mund man diese delikaten Informationen erhält, eher für einen brummigen Einsiedler halten. Doch in Wahrheit ist er ein Top-Secret-Mann der Regierung: Ein Trolljäger, spezialisiert auf vagabundierende Trolle, der scheint’s harmlos in Fjorden herumliegende Felsbrocken als Spuren von Kämpfen zwischen Wald- und Bergtrollen zu deuten versteht und sich mit hoch konzentriertem Trollgestank einreibt, wenn er an sein Handwerk geht.

Verglichen mit den Trollen, ist das Fantasy Filmfest in seinem 25. Jahrgang von geradezu kindlich frischem Alter. Aus den Trollhöhlen der kleinen Programmkinos hat sich das 1987 noch stark subkulturell verankerte Festival kontinuierlich herausbewegt: In Berlin teilt es sich seit einigen Jahren mit der Berlinale die größten Kinosäle am Potsdamer Platz, als in Deutschland einzige kontinuierlich arbeitende Plattform für den fantastischen Film und dessen randständige Subgenres ist es nicht mehr wegzudenken. Neben dem alljährlichen Festivalprogramm im Hochsommer haben sich seit 2003 die „Fantasy Filmfest Nights“ etabliert, eine Zwischenetappe im Frühjahr mit aktuellen Produktionen, in deren Rahmen am Wochenende die norwegische Monster-Mockumentary „Troll Hunter“ zu sehen ist.

In gewisser Hinsicht ist die Eröffnung des 25. Festivaljahrgangs janusköpfig. Mit „Troll Hunter“ läuft ein wegen seiner obskuren Trailer im Internet gehypter, brandheißer Film der Stunde, zugleich sucht das Festival mit zwei aktuellen Filmen Rückhaftung an der eigenen Wiegenzeit: „The Hole“ von Joe Dante und „Burke and Hare“ von John Landis beschert zwei Meistern des Genrekinos der 80er Jahre ein Comeback auf die große Leinwand. Mit Semiblockbustern wie „American Werewolf“ (Landis) oder „Gremlins“ und der „Reise ins Ich“ (beide Dante) prägten sie das Horror- und Science-Fiction-Kino der 80er entscheidend mit, in den letzten Jahren versumpften beide in der TV-Einöde.

Dass es beiden allerdings kaum gelingt, an alte Glanzzeiten anzuschließen, macht das Wiedersehen zur sachten Enttäuschung. Immerhin für einige schwarzhumorige Gags gut ist der prächtig ausgestattete, ansonsten aber gemächlich plätschernde „Burke and Hare“, eine im frühviktorianischen Edinburgh angesiedelte Leichenraubklamotte, in der zwei arme Schlucker zur Überbrückung eines Finanzlochs die örtliche anatomische Fakultät mit frischen Studienobjekten versorgen und schließlich auch zu rabiateren Methoden greifen, um die Lieferung aufrechtzuerhalten.

In „The Hole“ starren zwei Geschwister samt Nachbarstochter buchstäblich ins Bodenlose eines Lochs, das sie, vorsorglich verschlossen, im Keller des frisch bezogenen Hauses vorfinden. Der einmal geöffnete Schlund erweist sich als Büchse der Pandora, aus der die Urängste der drei Kinder schleichend hervorkrabbeln. „The Hole“ steht in der Tradition der Sommer-Movies mit Jugendlichen in der Hauptrolle, die an der Schwelle zum Erwachsenwerden abenteuerliche Prüfungen bestehen müssen, bleibt aber wegen zahlreicher dramaturgischer Unebenheiten weit hinter seinem Potenzial zurück.

Kaum in die üblichen Genrekategorien des Festivals einsortieren lässt sich der in Venedig hochdekorierte Film „Essential Killing“ von Jerzy Skolimowksi. Der polnische Nouvelle-Vague-Altmeister erzählt hier in kühl-archaischen Bildern die Passionsgeschichte eines mutmaßlichen Talibanterroristen (Vincent Gallo), dem ein Unfall beim Gefangenentransport von Afghanistan in die USA die Flucht in die verschneiten polnischen Wälder ermöglicht. Wegen seiner mitunter etwas unfreiwillig komischen Jesusmetaphern schrammt „Essential Killing“ zwar gelegentlich dicht an der Grenze zur Parodie vorbei, Vincent Gallos absolut dialoglose, atemberaubende Performance als mal gehetzt fragiler, mal eiskalt mordender Mensch unter den Bedingungen einer Extremerfahrung macht aus „Essential Killing“ letztendlich aber doch einen überzeugenden Beitrag zum existenzialistischen Kino der letzten Jahre.

Nicht zuletzt diese Bündnisfähigkeit des Festivals mit radikaleren Formen des Arthouse-Kinos ist es, die regelmäßig eine gesunde Spannung in das Festivalprogramm trägt. Zwischen kompromisslosem Autorenfilm und derber Splattergeisterbahn liegen hier oft nur wenige Schritte. Nur für parfümiertes Wohlfühlkino wird das Fantasy Filmfest auch weiterhin nicht stehen. Auf die nächsten 25 Jahre!

■ 19. und 20. März, Cinestar Sony Center, Programm unter www.fantasyfilmfest.com