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Archiv-Artikel

Amnesty lobt Polizei

Die Berliner Polizei führe vorbildliche Statistiken über Polizeiübergriffe, sagt die Menschenrechtsorganisation

Die Zahl war erschreckend: Etwa 35 Prozent der Menschen, die sich an die Opferberatungsstelle „ReachOut“ wenden, seien Opfer rassistisch motivierter Polizeigewalt geworden, sagte Mitarbeiter Biblap Basu Anfang Januar der taz. Auch amnesty international (ai) und andere Menschenrechtsorganisationen berichten regelmäßig über ähnliche Erfahrungen.

Bei den offiziellen Reaktionen auf solche Vorfälle ist die Phrase von den „schwarzen Schafen“, die es in jeder Berufsgruppe gebe, die beliebteste These bei den Verantwortlichen in Polizei und Innenministerien. Zahlen über Beschwerden und Strafanzeigen gegen PolizistInnen sind denn zumeist auch ziemlich rar. Eine Ausnahme von dieser Regel bildet dabei offenbar nur Berlin.

Dies zumindest hat eine im Sommer 2006 gestartete Umfrage von ai bei allen deutschen Innen- und Justizministerien ergeben. Während auf die Antworten einzelner Bundesländer noch immer vergebens gewartet wird, teilte Berlin bereits innerhalb weniger Wochen mit, dass hier sowohl bei der Staatsanwaltschaft als auch beim Polizeipräsidenten entsprechende Statistiken geführt werden und abgefragt werden können. „Umfassende Statistiken werden nur von Berlin erstellt“, heißt es in der ai-Auswertung. Nach den daraufhin von der taz erbetenen Angaben für die vergangenen sechs Jahre lag die Zahl der gegen Berliner PolizistInnen eingeleiteten Strafverfahren in den Jahren 2001 mit 2.440 und 2002 mit 2.244 am höchsten.

Seither geht sie kontinuierlich zurück; 2005 waren es noch 1.799 und bis zum Juni 2006 bisher 876. Eine weitergehende Auswertung liegt derzeit noch nicht vor. Auffällig und weitgehend konstant ist jedoch auch die Zahl jener Verfahren, die durch Einstellung enden. Dies waren 2001 und 2002 immerhin 1.932 beziehungsweise 1.878, und auch von den 876 eingeleiteten Strafverfahren sind bereits 819 wieder auf diese Weise erledigt. Gleichbleibend war auch die Zahl der tatsächlichen Verurteilungen: Sie liegt durchgängig zwischen 35 und 38.

Eine ähnliche Situation findet sich auch bei den disziplinarrechtlichen Verfahren der Behörde selbst, wenn ein Vorwurf oder Delikt noch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze liegt. Auch sie gehen seit 2001 (476) stetig zurück (Juni 2006: 160) und werden überwiegend eingestellt. Obwohl aus den Statistiken des Polizeipräsidenten nicht hervorgeht, welcher Delikte die BeamtInnen beschuldigt wurden, so ist schon allein ihre Existenz ein Vorteil für eine aufmerksame Öffentlichkeit. Und die sinkenden Fallzahlen scheinen anzudeuten, dass sich in der Berliner Polizei offenbar etwas bewegt. Otto Diederichs