: „Wir sind keine Trittbrettfahrer“
Arctic Monkeys als Vorbild: Im Club Silverwings finden seit kurzem „Myspace Live“-Konzerte statt. Unbekannte Bands können sich von ihren „Freunden“ auf die Bühne klicken lassen. Sieben Fragen an den Silverwings-Betreiber Harmen J. B. de Keijzer
INTERVIEW ANDREAS HARTMANN
taz: Herr De Keijzer, ganz direkt gefragt: Versuchen Sie mit „Myspace Live“ nicht einfach nur, den Hype um das Internetportal Myspace zu nutzen, um Ihren Laden Silverwings vollzukriegen?
De Keijzer: Wir sind keine Trittbrettfahrer. Ich will mich bloß ganz von der Arbeit des klassischen Bookers lösen und in die Richtung gehen, die man heute „Web 2.0“ nennt. Und dafür nutze ich Myspace lediglich als Tool. Was bedeutet: Die Leute da draußen, die User, entscheiden, und nicht mehr ich. So wie die User einst die Arctic Monkeys gewählt und entschieden haben, dass diese Band gut ist, und nicht eine große Plattenfirma.
Wie genau unterscheidet sich Ihre Idee von der Arbeit eines klassischen Bookers?
Die klassische Form ist: Ich buche eine Band, mache Flyer, Poster, Radio- und Printwerbung, setze die Band auf die Bühne und schaue, was passiert. Unser System ist nun: Wir buchen die Bands nicht mehr, beziehungsweise wir buchen acht Bands und sagen ihnen, dass sie sich ein bestimmtes Datum freihalten sollten, da sie bei uns an diesem spielen könnten. Allerdings müssen sie dafür von den „Freunden“ aller beteiligten Bands per Voting auf Myspace ausgewählt werden.
Die Vorauswahl der Bands, die heute Abend in ihrem „Most Voted Contest“ präsentiert werden, wirkt recht beliebig. Reicht allein die Tatsache, ein Profil auf Myspace zu haben, also eine „Myspace-Band“ zu sein, um teilnehmen zu können?
Man muss weiterhin bei vielen Bands reinhören, um etwas zu finden. Ich denke, eine wirkliche „Myspace-Band“ gibt es nicht. Es gibt Myspace als Plattform, von der aus man versucht, in die weite Welt zu schauen. Warum soll man eine Band, die lediglich dieses Tool nutzt, eine „Myspace-Band“ nennen?
Glauben Sie nicht, dass auch andere Booker längst über Myspace nach Bands suchen?
Nein, Touren werden meistens von großen Agenturen angeboten. Unser Weg ist einfach billiger, denn wir sprechen die Bands direkt an. Wir versuchen so, Konzerte einigermaßen bezahlbar zu gestalten. Es ist ja unmöglich in Berlin geworden, auf kleinkultureller Ebene noch eine große Posteraktion zu starten. Früher konnte man noch wild plakatieren, aber die Stadt hat ja ihre Litfaßsäulen an Fremdunternehmer verkauft, der kulturelle Unterrand hat da keine Chancen mehr.
Ist das Internet somit also die neue Wildplakatiererei?
Das war so nicht geplant, aber es könnte darauf hinauslaufen.
Wenn Ihre Veranstaltung heute Abend total floppt, was ist dann?
Ich denke nicht, dass das passieren wird. Unser System ist gut durchdacht. Ich rechne mit 200 Besuchern, und das wäre ein super Erfolg.
Und wenn es nicht klappt, versuchen Sie es dann nochmals?
Auf jeden Fall. Das zweite Voting läuft bereits.