: Staatsanwalt jagt Dr. N.
Angeblich kranker Aubis-Geschäftsführer Neuling muss erneut zum Gutachter. Erstmals endet ein Prozess zum Bankenskandal mit Haftstrafe auf Bewährung. Das verspricht Gericht nach Geständnis
von Gereon Asmuth
Es geht nur um 2,5 Millionen Euro Steuern. Ein Klacks angesichts der Milliarden, die im Rahmen des Berliner Bankenskandals bewegt wurden. Dennoch hat die Justiz gestern einen großen Schritt zu Bewältigung der Affäre gemacht. Zunächst setzte das Landgericht einen der angesehensten Gutachter auf den angeblich verhandlungsunfähigen Aubis-Geschäftsführer an. Dann wurde erstmals die Verurteilung eines Angeklagten zu einer Haftstrafe auf Bewährung angekündigt. Und ebenfalls zum ersten Mal droht Manfred Schoeps, einem einstigen Bankmanager, der Gang ins Gefängnis.
Populärster der fünf Angeklagten sollte gestern Dr. Christian Neuling sein. Der einstige Aubis-Geschäftsführer, der mit seiner Spende an den damaligen CDU-Fraktionschef und Bankmanager Klaus Landowsky den Bankenskandal zum Politikum werden ließ, erschien jedoch nicht. Schließlich hatte ihn erst letzte Woche ein Gutachter in einem anderen Verfahren als verhandlungsunfähig bezeichnet, obwohl Neuling im September den Berlin-Marathon absolviert hatte. Deshalb hält der Staatsanwalt den Gutachter für befangen. In dessen Papier werde Neuling zwar eine „schwere narzisstische Krise und Suizidgefahr“ attestiert. Offen bleibe jedoch, so der Staatsanwalt, ob Neuling nicht simuliere oder durch „verfahrensbegleitende Maßnahmen“ am Prozess teilnehmen könne. Laut Gerichtsbeschluss soll nun bis zum 15. Dezember Hans-Ludwig Körber mit einem neuen Gutachten die Zweifel beseitigen. Der ist Direktor des Instituts für forensische Psychiatrie an der Charité.
Geldvernichtung
Das Hauptaugenmerk der 26. Strafkammer des Landgerichts richtet sich aber nicht auf die Fitness eines Marathonläufers, sondern auf ein kompliziertes Firmengeflecht. Mitte der 90er-Jahre hatte Aubis-Geschäftsführer Neuling mit seinem Partner Klaus Wienhold über mehrere Kommanditgesellschaften tausende Plattenbauwohnungen in Ostdeutschland gekauft. Diese wurden in einem mehrstufigen Verfahren an einen der umstrittensten Immobilienfonds der landeseigenen Bankgesellschaft überführt. Schon 2003 bezeichnete ein Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses das Firmengeflecht als „Geldvernichtungsmaschine, mit der öffentliches zu privatem Vermögen umgewandelt wurde“. Initiator des Konstrukts sei Manfred Schoeps gewesen, der ehemalige Chef der IBG, der Immobilientochter der Bankgesellschaft.
Verschwiegene Beteiligte
Schoeps war gestern einer der vier erschienenen Angeklagten. Diese müssen sich aber nicht wegen der gerügten Geldvernichtung, sondern wegen Steuerhinterziehung verantworten. Das ist juristisch einfacher zu fassen. Es könnte sein, dass bei der Übertragung von Gesellschafteranteilen an so genannte Komplementäre 2,5 Millionen Euro Grunderwerbsteuer fällig wurden. Ob die tatsächlich gerechtfertigt wäre, spielt für das Gericht keine Rolle. Da aber alle Beteiligten den Gesellschafterwechsel den Finanzämtern verschwiegen, konnten die gar nicht prüfen, ob die Steuer anfiel oder nicht. Schon das erfüllt den Vorwurf der Steuerhinterziehung.
Das klingt nach ausgefuchster Paragrafenreiterei. Doch einem Fachmann wie Christian Lauritzen leuchtet das ein. Der 53-jährige Anwalt war als Rechtsberater von Manfred Schoeps sowie als Komplementär an den Geschäften beteiligt. Heute bedauert er seine Rolle sehr. „Ich räume alle Vorwürfe ein“, sagte er gestern. Zugleich belastete er die Mitangeklagten. Er habe Schoeps und Neuling stets auf rechtliche Bedenken hingewiesen.
Vorab hatte Lauritzen sich mit dem Gericht auf ein verkürztes Verfahren geeinigt. Nach dem Geständnis verkündete Richterin Karin Garz-Holzmann, Lauritzen werde am kommenden Donnerstag zu maximal elf Monaten Haft auf Bewährung und 200.000 Euro Geldbuße verurteilt. Ebenso wurde das Verfahren gegen einen weiteren Angeklagten gegen Zahlung von 10.000 Euro eingestellt. Er habe sich nur der Beihilfe schuldig gemacht, so die Richterin.
Auch den verbliebenen Angeklagten legte die Richterin ein Geständnis nahe. Das könne zu einer „erheblichen Strafmilderung“ führen. Schoeps jedoch verzichtete auf eine Aussage vor Gericht. Am Rande des Prozesses wies er jede Schuld von sich. Beobachter prognostizierten gestern, dass Schoeps bei einer ungemilderten Verurteilung mehr als zwei Jahre Haft drohen. Die könnten dann nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden.