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Archiv-Artikel

Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um

Neben Olaf Nicolai (siehe Tipp) hat sich auch Eleonore de Montesquiou in den letzten Jahren mit dem Untergang der Textilindustrie beschäftigt. Ihr Zugang ist jedoch ein eher persönlicherer, denn nach der Gründung Estlands bekam die Französin die estnische Staatsbürgerschaft angeboten, da ihre Familie von dort stammt. Im Fokus steht nun die Textilfabrik Kreenholm in der Grenzstadt Narva, die zu einem Teil in Estland, zum anderen in Russland liegt und somit von „den Anderen“ nur mit Visum besucht werden kann. Montesquious Film „Vabrik“ ist eine Kollage von Bildern aus den 60er und 70er Jahren, bei denen die Arbeit und ein lebendiges Miteinander am Arbeitsplatz sowie der Produktionsprozess im Vordergrund stehen. Auch wenn es sich um Propagandamaterial handelt, boten die Fabriken mehr als „nur“ einen Arbeitsplatz und übernahmen auch soziale Aufgaben, die nach und nach aus dem Alltag der ArbeiterInnen gekürzt wurde. 2009 wurde die Fabrik gänzlich geschlossen. Aus dieser Zeit stammen Bilder, auf denen man vergeblich nach Arbeit Ausschau hält. Musiker und Field-Recording-Spezialist Marcel Türkovsky interpretiert mit seinem Sound die Geschichte, zieht die Verbindung zwischen (Musik-) Kulturen und Industrie, zwischen den lieblichen Alltäglichkeiten bis zum brutalen Niedergang.

Gleich um die Ecke bei Carlier | Gebauer zeigt Astra Gröting Arbeitstische ihrer KollegInnen aus dem Kunstbetrieb. Ob der fragile Nähtisch der Mutter Nassan Turs, an der die Dame auch Poesie verfasste, oder die klobige Werkbank mit merkwürdigen Instrumenten und Spulen des Erfinders Block senior, so skurril die Objekte wirken, so melancholisch stimmen sie. Einerseits als fast schon zum Voyeurismus provozierende familiäre Verbindungen, andererseits als Zeugnisse einer vergangenen Zeit.

■  Eléonore de Montesquiou: Vabrik; bis 21. April, Di.–Sa., 12–18 Uhr, Antje Wachs Gallery, Charlottenstr. 3 ■  Asta Gröting: Familienwerkbänke; bis 23. April, Di.–Sa. 11–18 Uhr, carlier | gebauer, Markgrafenstr. 67