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Archiv-Artikel

WHO gibt Ebola-Mittel frei, aber es sind kaum welche übrig

SEUCHE Nach Erfolgen in den USA darf das noch nicht erprobte ZMapp jetzt auch in Liberia eingesetzt werden. Der Vorrat reicht nur noch für zwei Patienten

Die Zahl der Ebola-Todesopfer in Westafrika ist mittlerweile auf über 1.000 gestiegen

VON DOMINIC JOHNSON

BERLIN taz | Ein halbes Jahr nach dem Ausbruch von Ebola in Westafrika dürfen jetzt auch unvollständig erprobte Medikamente eingesetzt werden, um die Epidemie in Westafrika zu bekämpfen. Auf einer Sondersitzung hochkarätiger Mediziner beschloss die Weltgesundheitsorganisation WHO am Montag, dies sei aufgrund der „besonderen Umstände“ ethisch vertretbar, auch wenn die Wirksamkeit und mögliche Nebenwirkungen der Medikamente nicht erschöpfend erforscht seien.

Die Empfehlung folgt auf den erfolgreichen Einsatz des Antikörperserums ZMapp in den USA zur Heilung zweier aus Liberia zurückgekehrter US-Reisender: der Arzt Kent Brantly und die Missionarin Nancy Writebol. Sie waren mit dem Mittel der Firma Mapp Bio Pharmaceutical geheilt worden. Der aus Liberia in seine Heimat zurückgekehrte 75-jährige spanische Priester Miguel Pajares, der ebenfalls an Ebola erkrankt war, konnte hingegen trotz Behandlung mit ZMapp nicht gerettet werden: Er starb am Dienstag früh.

Einen großflächigen Einsatz von ZMapp in Westafrika wird es allerdings nicht geben. Zwar hat der Hersteller zugesichert, dass Liberia kostenlos den gesamten Vorrat an dem Medikament erhalten werde – der Vorrat reicht allerdings nur noch für zwei Personen. Zwei infizierte Ärzte sollen in den Genuss davon kommen, erklärte Liberias Informationsminister Lewis Brown: Da das Medikament in den USA nicht zugelassen sei, könne die US-Regierung dafür keine allgemeine Exportgenehmigung erteilen, sondern habe nur eine Ausnahmegenehmigung für diese zwei Ärzte erlassen.

Nigeria hat ebenfalls um ZMapp gebeten, aber die zuständige US-Behörde lehnte das ab, weil nichts mehr übrig sei. Es gebe „weniger als ein Dutzend Dosen“ des Medikaments, sagte WHO-Sprecher Fadela Chaib. In mehreren afrikanischen Ländern hatte es Rassismusvorwürfe gegeben, nachdem die beiden einzigen Ebola-Patienten in den USA medikamentös geheilt werden konnten, während es ansonsten immer heißt, für Ebola gebe es keine Heilung.

Jetzt wird die Frage in den Mittelpunkt rücken, ob rasch mehr ZMapp hergestellt werden kann. In ihrer Empfehlung erklärt die WHO, dass der Einsatz dieses Medikaments von „Transparenz über alle Aspekte der Pflege, informierte Zustimmung, Wahlfreiheit, Vertraulichkeit, Respekt für die Person, Bewahrung der Würde und Einbeziehung der Gemeinschaft“ begleitet sein solle; alle Daten müssten gesammelt und später evaluiert werden.

Die Zahl der Ebola-Todesopfer in Westafrika ist mittlerweile auf über 1.000 gestiegen. In der neuesten WHO-Bilanz vom Montag, die bis zum 9. August reicht, ist von 1.013 bestägtigen Ebola-Todesfällen und insgesamt 1.848 Erkrankungen die Rede. 373 Tote gibt es in Guinea, 323 in Liberia, 315 in Sierra Leone und zwei in Nigeria. Liberias Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf stellte am Montag den am stärksten betroffenen Distrikt Lofa im Nordwesten des Landes unter Quarantäne, als dritten der 15 Distrikte des Landes. „Niemand wird nach Lofa hinein und niemand wird herauskommen“, sagte sie in einer Radiobotschaft.

Die Herausforderungen des Kampfes gegen Ebola in Liberia wurden am Wochenende auf einer Versammlung von Gesundheitspersonal mit Präsidentin Sirleaf-Johnson im vollbesetzten Rathaus der Hauptstadt Monrovia deutlich. 35 Pfleger und Ärzte sind in Liberia bereits an Ebola gestorben. Die Präsidentin versprach, ausstehende Zulagen zu zahlen und Lebensmittellieferungen in die Quarantänegebiete zu gewährleisten. Liberias Ärztekammer drängte darauf, endlich alle Gesundheitszentren des Landes wieder zu öffnen – viele seien geschlossen, um sie zu desinfizieren – und Mitarbeiter zu versichern. Außerdem müsse die Regierung dagegen vorgehen, dass Apotheken sich selbst zu Gesundheitszentren erklären und Kranke dabehalten, um an ihnen Geld zu verdienen.

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