: „Deutsche Ordnung“ in Bukarest
RUMÄNIEN Mit Klaus Johannis tritt bei den Präsidentschaftswahlen im November erstmals ein Rumäniendeutscher an. Seine Gegner sprechen von einem „perversen Akt“
VON WILLIAM TOTOK
BERLIN taz | „Ich möchte im Herbst einen orthodoxen Rumänen als Präsidenten und keinen Deutschen reformierten Glaubens“, stichelte die rechtsradikale Hetzgazette NapocaNews in einem beispiellosen Angriff auf Klaus Johannis. Der 55-Jährige wurde in dieser Woche offiziell zum Präsidentschaftskandidaten der Christlich-liberalen Allianz (ACL) nominiert.
Die Kandidatur eines Nichtrumänen für das höchste Amt im Staat ist tatsächlich eine Premiere für ein Land, in dem sich die ideologisch farblosen Parteien seit der Wende von 1990 bloß mit national-patriotischen Worthülsen gegenseitig das Wasser abzugraben versuchen. Auch die zu dem Zweckbündnis Christlich-Liberale Allianz (ACL) fusionierten Gruppierungen, die National-Liberale Partei (PNL) und die Liberal-Demokratische Partei (PDL), gingen bislang auf Stimmenfang, indem sie mit schrillen vaterländischen Tönen an die nationalen Gefühle ihrer Wählerschaft appellierten.
Der frühere Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) und erfolgreiche Bürgermeister von Hermannstadt/Sibiu trat erst im vergangenen Jahr der National-Liberalen Partei (PNL) bei. Seinen rasanten Aufstieg zum Parteivorsitzenden hatte er seinem guten Ruf zu verdanken. Die ihm nachgesagten deutschen Sekundärtugenden Ehrlichkeit, Fleiß, Pünktlichkeit, Ordnung und Pragmatismus schätzen auch viele Rumänen. Viele sehen in ihm die Verkörperung eines Gegenmodells zu der korrupten rumänischen Politikerkaste.
Dies widerspiegeln auch die Umfragen, nachdem ihn die Christlich-Liberale Allianz nun offiziell zu ihrem Kandidaten für die im November stattfindenden Präsidentschaftswahlen aufgestellt hat. Klaus Johannis liegt in den Umfragen derzeit – mit 45 Prozentpunkten – nur knapp hinter seinem wichtigsten Rivalen, dem demagogischen und des Plagiats überführten Kandidaten der Sozialdemokratischen Partei (PSD) und regierenden Ministerpräsidenten, Victor Ponta. Für Ponta würden momentan die Hälfte der Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben.
Die Gegner von Johannis, die sich ebenfalls für das Amt des Präsidenten bewerben, sehen in der Nominierung eines rumäniendeutschen Minderheitlers einen „unehrlichen und perversen“ Akt. Die EU-Abgeordnete und ehemalige glühende Parteigängerin des noch amtierenden Präsidenten, Monica Macovei, die nun als unabhängige Anwärterin auf den Präsidialsessel angetreten ist, etikettierte Johannis als „ungeeigneten Kandidaten“, der über keinerlei politische Erfahrungen verfüge und somit nur ein Produkt undurchsichtiger „Kulissengespräche“ sei.
Der sozialdemokratische Parteichef und Premier Victor Ponta hingegen zauberte die national-orthodoxe Karte aus dem Ärmel, um seinem lutherisch-protestantischen Rivalen mit der religiösen Keule einen Schlag zu versetzen. Der Wahlslogan der rumänischen Sozialdemokraten – „Wir sind stolz, Rumänen zu sein“ – scheint übrigens aus einem weltanschaulichen Arsenal zu stammen, auf das eher völkische Gruppierungen zurückgreifen als solche, die sich als links bezeichnen. Und zudem auch noch Mitglied in der Sozialistischen Internationale sind.
Das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien, dessen Vorsitzender Johannis war, erklärte seine uneingeschränkte Unterstützung für den Kandidaten der Christlich-Liberalen Allianz. Der ehemalige Physiklehrer Klaus Johannis reagierte eher gelassen auf derartige Angriffe unter die Gürtellinie. Seine Nominierung bezeichnete er als ein „Signal, das die Reife der rumänischen Demokratie beweist“. „Es geschieht zum ersten Mal in den vergangenen 25 Jahren, dass eine Partei einen rumänischen Kandidaten einer anderen Ethnie aufstellt“, sagte Johannis Anfang dieser Woche in Bukarest und fügte hinzu: „Ich bin aus Hermannstadt aus der Lokalverwaltung zur Präsidentschaft aufgebrochen, um die bisherigen politischen Spielregeln zu verändern … Es ist Zeit für einen neuen Anfang …“