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Archiv-Artikel

Jeder zweite Deutsche hat Übergewicht

„Aktionsplan Ernährung“ will dafür sorgen, dass sich Kinder mehr bewegen und besser ernähren

BERLIN taz ■ Deutschland hat ein dickes Problem: 55 Prozent der Frauen und 65 Prozent der Männer sind hierzulande übergewichtig. Beim Nachwuchs sind es 15 Prozent und damit rund 1,9 Millionen Kinder und Jugendliche. „Die Fettleibigkeit von Kindern und Jugendlichen ist ernst zu nehmen“, betonte Gerd Müller, Staatssekretär im Verbraucherministerium gestern. In den vergangenen zehn Jahren habe sich die Zahl der Übergewichtigen verdoppelt. Tendenz: steigend.

300 Experten aus mehr als 30 Ländern haben von Montag bis gestern im baden-württembergischen Badenweiler bei der Konferenz „Gesundheitliche Prävention“ über eine bessere Vorsorge diskutiert. Zufälligerweise hat der Fastfood-Riese McDonald’s derweil seine neueste Bilanz bekannt gegeben: Vergangenes Jahr hat er mit 2,6 Milliarden Euro den höchsten Umsatz seiner 35-jährigen Geschichte in Deutschland erzielt. Viele Kinder essen zu fettig und zu süß.

Das Verbraucherministerium will das nun ändern. Gestern kündigte es einen Aktionsplan gegen Übergewicht an. Dabei soll es allerdings nicht nur um gesündere Ernährung, sondern auch um mehr Bewegung gehen.

Vor allem Kinder aus sozial schwachen Schichten würden immer dicker, sagt Michael Lentze, Leiter des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund. Selbst wenn sie nicht besonders viele Kalorien zu sich nähmen, seien sie von der Fettleibigkeit aufgrund von Bewegungsmagel bedroht. Jugendliche sähen mittlerweile lieber fern, als Sport zu treiben. Während ein 8-Jähriger 1995 in sechs Minuten fast 1.000 Meter laufen konnte, schaffe er jetzt nur noch knapp 700 Meter, erzählt Lentze.

Der Forscher bezieht sich auf eine Langzeitstudie, die Donald-Studie heißt. Sie läuft seit 19 Jahren in der Umgebung von Dortmund: 1.400 Kinder wurden von der Geburt an bis zum 19. Lebensjahr begleitet – und ihre Ess- und Freizeitgewohnheiten dokumentiert. Laut Gesundheitsministerium belaufen sich die Folgekosten der ernährungsbedingten Krankheiten auf 75 Milliarden Euro jährlich. Mitte des Jahres will das Verbraucherministerium durch Projekte das Ernährungsbewusstsein von Erwachsenen und Jugendlichen stärken, Kinder zu mehr Sport animieren und Qualitätsstandards für die Verpflegungen in Schulen einführen. Staatssekretär Müller verspricht dafür „genügend Geld“. Das Ziel: 2010 soll jede dritte Schule oder Kantine gesunde Mahlzeiten anbieten.

SVEN KULKA