Anarchische Lachlust

Form und Inhalt wieder zusammenbringen: Heute Abend liest Ex-„Titanic“-Chefredakteur Oliver Maria Schmitt aus seinem Roman „AnarchoShnitzel schrieen sie“. Dazu spielen die Hamburger Altmänner-Punks von „Boy Division“

Lesung: Do, 1. 3., 21 Uhr, Uebel & Gefährlich, Feldstraße 66

Ganz Punk-untypisch hat Oliver Maria Schmitt sein Instrument wirklich gelernt. Rhetorik und Kunstgeschichte hat er studiert und ist als ehemaliger Chefredakteur der Titanic in der humoristischen Überschreitung jeglicher politischen wie geschmacklichen Korrektheit geschult. Bücher hat er auch schon etliche geschrieben. Über Dichter („Gute Güte, Göthe!“), Deutschland („Hit me with your Klapperstock“) oder die Denker der „Neuen Frankfurter Schule“ („Die schärfsten Kritiker der Elche“). Doch dann hatte er nach Selbstauskunft „die Schnauze voll“ und hat sich auf die wilden Zeiten mit seiner Heilbronner Punkband „Tiefschlag“ besonnen, respektive auf das „einzige und beste, was Punk mich gelehrt hat“: Dagegen zu sein.

Herausgekommen ist Schmitts erster Roman „AnarchoShnitzel. Ein Punkroman für die besseren Kreise“. Dessen Protagonist Jan Peter Hein, in den 80ern Mitglied der Punkband „Gruppe Senf“, ist mittlerweile mäßig erfolgreicher Computerunternehmer, als der ehemalige Bandkollege Hollo telefonisch die bevorstehende Wiedervereinigung ankündigt. Alle noch lebenden Bandmitglieder sollen sich bei Rolfi in Thüringen treffen, um im Fernsehen noch einmal aufzutreten – wie sich später herausstellt in einer Sendung mit den „100 schlechtesten Songs aller Zeiten“. Mit einem „geschnorrten“ Mercedes macht sich der Enddreißiger, der immer noch den Punk im Herzen zu haben glaubt, gemeinsam mit „Dr.“ Hollenbach, mittlerweile als nicht zugelassener Arzt tätig, auf die Reise durch Deutschlands Osten, in den es den Rest der Combo verschlagen hat. Beseelt von der Hoffnung, seine alte Liebe Itty Lunatic doch noch zu erobern.

Den „besseren Kreisen“ hat es jedenfalls gefallen. Uwe Wittstock weiß im Punk-Fachblatt Welt gar zu berichten, nie einen Roman gelesen zu haben, „der dem Literaturdeutsch so konsequent seine hartnäckige Neigung zu wohliger Behäbigkeit und weltferner Steifheit ausgetrieben hätte“.

Heute Abend wird Schmitt aus seinem Roman im Uebel & Gefährlich lesen. Oder besser: schreien, kreischen und skandieren. Denn angekündigt ist ein lauter Literaturgig voller Anarchie, Wahnsinn und verzerrter Musik. Die Produzenten der Letzteren hätten dabei nicht passender gewählt werden können. Mit „Boy Division“ erklimmen Hamburgs bestgekleidete Altmänner-Punks mit bis zur Unkenntlichkeit zerschredderten und durchs Megaphon geschrienen Coverversionen die Bühne. ROBERT MATTHIES