REPARIEREN, AUSTAUSCHEN : Kuren
„CARGLASS repariert, CARGLASS tauscht aus!“, heißt es mal wieder. In der Flimmerkiste, im Radio und auf Plakatwänden. Deswegen stellte sich mir die Frage, wann CARGLASS endlich mal bei mir repariert und austauscht. Nicht dass ich ein Auto hätte oder gar eine Vollkaskoversicherung, aber dennoch verspüre ich pünktlich zum Frühlingsanfang den dringenden Wunsch nach einer Inspektion. Wenn auch mehr auf mentaler Ebene.
Mein Gehirn braucht Aquajogging oder wenigstens Nordic Walking. Nordic Stalking ist nämlich schon wieder out, Solveig aus Oslo will nichts mehr von mir wissen. Vorbei auch die Zeit der vier warmen Mahlzeiten am Tag. Im Winter war ich so sehr mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt, dass ich mich teilweise abends schon freute ins Bett zu gehen, da ich wusste, was für Köstlichkeiten morgens im Kühlschrank auf mich warten würden.
Wer jetzt denkt, ich hätte zugenommen, der irrt, ich nehme nämlich nicht zu, der Herr im Himmel alleine weiß, warum, doch er sagt es mir leider nicht, denn Gott sei Dank bin ich Nihilist. Meine Unfähigkeit zuzunehmen, kann nicht jeder akzeptieren. Als mich meine Tante zu sich nach Hamburg einlud, dachte ich mir nichts Schlimmes, doch relativ schnell wurde deutlich: Eine Bildungsreise wird das nicht. Sie stellte mich auf die Waage und begann mit einer beispiellosen Mast. Morgens gab es Rührei, Speck und Pilze. Mittags irgendeinen fettigen Snack. Nachmittags Steak, wahlweise mit Bohnen im Schinken oder Bratkartoffeln. Abends dann einen deftigen Salat oder eine Käseplatte. Zwischen den Gängen gab es selbstverständlich selbst gebackenen Kuchen.
Nach einer Woche stellte sie mich erneut auf die Waage: Ich hatte 500 Gramm verloren. Seitdem ist der Kontakt zu meiner Tante eher spärlich, ich fürchte, sie ist beleidigt.
JURI STERNBURG