: Ermordet, aber nicht vergessen
ZEITGESCHICHTE Das Festival „Verfemte Musik“, das am 15. September in Schwerin beginnt, widmet sich niederländischen Komponisten, die von den Nazis ermordet wurden. Zusätzlich gibt es einen Wettbewerb für junge Musiker
Viele Menschen können mit dem Schlagwort „Verfemte Musik“ nur wenig anfangen. Gemeint ist Musik, die von den Nationalsozialisten zur „entarteten Kunst“ erklärt und verboten wurde. Dies betraf sämtliche künstlerischen Stilrichtungen, die nicht mit den Idealen und dem Kunstverständnis der Faschisten zusammenpassten.
Aber Musik gerät schnell in Vergessenheit, wenn sie weder gespielt noch aufgenommen wird. Um die Erinnerung an die meist jüdischen Komponisten und ihre Musik zu bewahren, hat der Landesverband Jeunesses Musicales Mecklenburg-Vorpommern e.V. deshalb im Jahr 2007 das Festival „Verfemte Musik“ ins Leben gerufen. Bereits zum 14. Mal wird es ab dem 15. September in Schwerin für 20 Tage um Musik, Erinnerung und neue Interpretationen der von den Nazis verfemten Werke gehen.
90 Musiker aus 21 Ländern werden die Werke spielen
Eingebettet in das Festival findet ein Wettbewerb für junge Musiker statt. Dort interpretieren 90 Künstler aus 21 Ländern die Werke in Solo- und Kammermusikbesetzungen. „Ich bin begeistert von der hohen Qualität des eingereichten Repertoires, das die Vielfalt der verfemten Musik in einzigartiger Weise widerspiegelt“, schreibt Festivalintendant Volker Ahmels, der bis Redaktionsschluss nicht erreichbar war, auf der Festival-Homepage. Ahmels ist vom Fach: Er leitet das Zentrum für Verfemte Musik an der Hochschule für Musik und Theater Rostock.
Der Schwerpunkt des Festivals liegt in diesem Jahr auf niederländischen Komponisten. Passend dazu gibt es erstmalig eine Kooperation mit der Leo Smit Foundation aus Amsterdam, die das Andenken an verfemte, niederländischen Musiker bewahrt und deren Musik lebendig hält.
Entsprechend gilt das Hauptaugenmerk des diesjährigen Festivals Leo Smit, der sein Studium in Klavier und Komposition am Amsterdamer Konservatorium mit Bestnote abschloss. Anschließend verbrachte er viele Jahre in Paris, was seine Musik stark neoklassizistisch beeinflusste. Zusätzlich inspirierten ihn Rhythmus und Melodien des Jazz.
Zurück in Amsterdam litt er ab 1941 unter dem öffentlichen Auftrittsverbot für jüdische Musiker. Kurz darauf verhängten die Nazis auch über ihn ein komplettes Berufsverbot. Leo Smit und seine Frau wurden 1943 in das NS-Vernichtungslager Sobibór deportiert und ermordet. Der Komponist wurde 43 Jahre alt.
Der zweite wichtige Protagonist des Schweriner Festivals ist in diesem Jahr Dick Kattenburg. Er studierte Musiktheorie und Geige am Konservatorium Brüssel und in Den Haag. Nach seinem Abschluss 1941 versteckte er sich an verschiedenen Orten vor den Nationalsozialisten, die 1940 in die Niederlande einmarschiert waren. In dieser Zeit tauschte Kattenburg sich mit dem 19 Jahre älteren Leo Smit über musikalische Fragen aus. Im Mai 1944 nahmen die Nazis Kattenburg bei einer Razzia fest und deportierten ihn nach Auschwitz. Kurz darauf wurde er mit 25 Jahren ermordet.
In seiner kurzen Schaffenszeit hatte Kattenburg, trotz Berufsverbots und seines Lebens im Untergrund, rund 30 Kompositionen geschaffen. Allerdings wurde kein einziges Stück zu seinen Lebzeiten aufgeführt.
Finanzierungslücke von rund 16.000 Euro
Finanziert wird das Schweriner Festival durch Spenden und Fördermittel der öffentlichen Hand. Derzeit klafft allerdings noch eine Finanzierungslücke von rund 16.000 Euro. Dieses Geld sollte eigentlich mittels einer Crowdfunding-Spendenaktion im Internet aufgetrieben werden. Es kamen allerdings nur zehn Prozent der gewünschten Summe zusammen. Wo der Rest herkommen soll, ist noch unklar.
Gefährdet ist das Festival „Verfemte Musik“ dem Intendanten Volker Ahmels zufolge aber nicht: Den musikalischen Auftakt wird am 15. September ein Konzert der Mecklenburgischen Staatskapelle gemeinsam mit der Soloflötistin Eleonore Pameijer bilden. JAN STAU
Das Festival „Verfemte Musik“ findet vom 15. 9. bis 5. 10. 2014 in Schwerin statt. Der Interpretationswettbewerb für junge Musiker läuft vom 2. bis 5. 10.