wir besprechen blogs (3) : Nackt im Widerspruch
WOMENSOCCER: Erhellendes aus der weiten Welt des Frauenfußballs und gewiss keine Beauty- und Kochtipps
Es ist nicht nur so, dass ein Hüsteln chinesischer Parteifunktionäre die Weltbörsen zum Einsturz bringen kann, das Land ist generell sehr tückisch. Vor allem in Fragen der Ernährung gibt es Rätsel auf, wie jüngst die deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen auskosten musste. Spielerin Ariane Hingst mied die landestypische Kost und flüchtete in globalisierte Fresstempel. „Wir waren schon in einem Pizza-Hut und in einem deutschen Restaurant, um satt zu werden“, teilte sie aus China mit, wo das Team an einem Vier-Nationen-Turnier teilnahm.
Hingst bildete flugs mit ein paar unterzuckerten Mannschaftskolleginnen eine Task Force „Häppchen“, die für den Einsatz eines deutschen Koches in Feindesland plädierte. Spätestens bei der Weltmeisterschaft im Sommer, die auch im Reich der Mitte ausgetragen wird, soll Hingst ordentlich Spätzle, Maultauschen und Bratwurst auf den Teller bekommen, denn im Ausland isst ja bekanntlich das Ressentiment mit. „Wir werden deshalb bei unserem Verband einen Wunschzettel einreichen, auf dem etwa stehen könnte, dass wir bei der WM einen eigenen Koch mitnehmen wollen“, unterstrich Hingsts Verbündete Silvia Neid in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung. Andererseits: Die Männer haben auch für sich kochen lassen. Während der WM tischte der Italiener Saverio Pugliese Schmankerln aus seiner kalabresischen Heimat auf.
Diese und andere erhellende Geschichten aus der großen, weiten Welt des Frauenfußballs erzählt das Blog Womensoccer, betrieben von Katja Öhlschläger und Markus Juchem, sie Gründerin des Online-Magazins „Fansoccer“, er Onlinejournalist mit Schwerpunkt Frauenkick. Sie machen das ganz gut, Öhlschläger und Juchem. Beide kennen sich aus in der Szene. Für die Randsportart, die Frauenfußball trotz des WM-Titels der Deutschen nach wie vor ist, betreiben sie keine schlechte Werbung. Informationen sprudeln, vor allem Öhlschläger ist analytisch stark, nur sind die Kommentare furchtbar altbacken und bräsig. Wenn Öhlschläger sich über Hingst lustig machen will, dann schreibt sie: „Es ist sicherlich richtig, dass die chinesische Küche Nahrungsmittel und Gewürze kennt, die für den europäischen Geschmack ungewöhnlich sind. Doch man wird China wahrlich nicht gerecht, wenn man so tut, als könne man sich dort ohne einen europäischen Koch nicht geschmackvoll und sportlergerecht ernähren.“
Wenn Juchem sich darüber aufregen möchte, dass sich die spanische Futsal-Mannschaft von Encofra Navalcarnero für die Zeitschrift Interviú nackig gemacht macht und auch die Essener Spielerin Mirja Kothe für ihre noch unfertige Homepage mit einem Knackhintern wirbt, dann schreibt er staatstragend: „Dass die Frauen mehr Anerkennung und Resonanz für ihren Sport erzielen wollen, ist logisch. Zu glauben, dass mithilfe derartiger Aktionen mehr Zuschauer den Weg in die Halle oder ins Stadion finden, ist aber wohl eher abwegig. Die Wahl der Mittel mehr als fraglich.“ Nun ja. Ausziehen gilt wie eh und je als probates Mittel der Effekthascherei. Die Masche wird in diesem Jahrhundert weiter Konjunktur haben, da kann Juchem noch so oft der Hut hochgehen. Die Futsal-Spielerinnen selbst sagen, dass sie aus purer Not den Popo gezeigt hätten: „Wir sind Futsal-Spielerinnen und keine Models. Diese Art von Reportagen macht mich wütend, aber weil uns keiner Aufmerksamkeit schenkt, bleibt uns als einzige Möglichkeit, uns auszuziehen“, erklärte Kapitän Eva Menguán.
Schön ist Öhlschlägers Beitrag über die „Frauenseite“ von Hertha BSC Berlin, der sich auf www.herthafreundin.de um die weibliche Klientel bemüht, dabei aber tief ins Klischee abrutscht. Vera Int-Veen erklärt ihrer Herthafreundin die Abseitsregel, die von Frauen ja angeblich per genetische Veranlagung schwer verstanden wird, es werden Beauty- und Kochtipps gegeben, kurz: ein gefundenes Fressen für die Blogger von Womensoccer. „Ein Ärgernis, diese Rückwärtsgewandtheit ausgerechnet in der sonst so modernen und weltoffenen Bundeshauptstadt Berlin“, schreibt Öhlschläger – wieder mit einem Tick zu viel Empörung. Doch solange männliche Fußballprofis Gender-Mainstreaming für einen Trendsport aus Kalifornien halten, werden Öhlschläger und Juchem nicht ruhen. Gut so. MARKUS VÖLKER