: Der höchstbietende Patient gewinnt
betr.: „Mancher Kranke wartet zwei Monate“, taz vom 23. 2. 07
Als bekennender Betriebswirt kann ich Ärzte sehr gut verstehen, die ihre „Kunden“ in der Reihenfolge des maximalen Profits abarbeiten. Der Höchstbietende gewinnt also. Als freiwillig Pflichtversicherter finde ich es absolut inakzeptabel, wenn Ärzte die etwa 12 bis 15 Prozent Privatpatienten in einer Praxisinfrastruktur (Räume, Personal, Geräte, etc.) bevorzugen, die ich als gesetzlich Versicherter überwiegend finanziere. Das schreit geradezu nach weiteren Kürzungen oder nach mehr Ärzten, denn: Ich kenne praktisch keinen Arzt, der ausschließlich von Privatpatienten leben kann.
WOLFGANG SIEDLER, Langenhagen
Kunden statt Patienten
betr.: „Mancher Kranke wartet zwei Monate“
Offensichtlich sind Sie immer noch der Meinung, dass Ärzte einfach selbstlose bessere Menschen sein und deswegen unermüdlich nur für das Wohl der Patienten sorgen müssen. Gleichzeitig aber wird von der Politik wegen der Kosten dafür gesorgt, dass es nunmehr Fälle (Fallpauschale) oder Kunden gibt und keine Patienten. Für Patienten kann sich der Arzt Zeit lassen, mit Kunden muss er Gewinn erwirtschaften. Also muss er Arbeitszeit und Hilfsmittel effizient einteilen. Was dabei auf der Strecke bleibt, kann man jeden Tag in den Medien lesen. Aber bitte wenigstens fair bleiben und nicht Ursache und Wirkung vertauschen. PETER BÖHM, Rothsee
Mir wird schlecht von der Heuchelei
betr.: „Mancher Kranke wartet zwei Monate“
Wenn es in unserem Gesundheitswesen ansonsten kein anderes Problem gäbe als längere Wartezeiten von Kassenpatienten gegenüber Privatpatienten, dann wäre das schön, denn dieses Problem wäre rasch gelöst. Der Grund für den Missstand ist doch ganz einfach: Bei Privatpatienten wird die Leistung des Arztes bezahlt, bei Kassenpatienten nicht. Warum erhebt die Patientenberaterin ihre Stimme nicht dagegen, dass spätestens im dritten Monat des Quartals Kassenpatienten in nahezu allen Arztpraxen Deutschlands ohne jede Vergütung behandelt werden?
Die Zweiklassenmedizin, die wir längst haben, in der „junge, nur leicht erkrankte“ Privatversicherte den Alten und chronisch Kranken, den gesetzlich Versicherten vorgezogen werden, ist das Ergebnis der politischen Entscheidungen der vergangenen Jahre. Das Solidarsystem wird systematisch, Schritt für Schritt zerstört! Zuzahlungen nehmen für Kranke überhand. Disease-Management-Programme zerstören die ärztliche Freiheit täglich mehr. Wer sich nicht fügt, muss im Erkrankungsfall mit erhöhten Gebühren und Zuzahlungen büßen. Diese Liste ließe sich ohne Ende verlängern. Wo bleibt der Aufschrei der unabhängigen Patientenberaterin gegen diese Politik?
Ich arbeite seit 15 Jahren in meiner recht großen chirurgischen Praxis in der Frankfurter Innenstadt. Ich bilde mich regelmäßig fort, halte selbst Vorträge, schreibe Bücher. Ich nehme an Qualitätszirkeln teil. Ich habe nur ein Wartezimmer, die Patienten werden in der Reihenfolge ihres Eintreffens aufgerufen. Über die medizinische Wissenschaft informiere ich mich aus sündteuren, weil werbungsfreien wissenschaftlichen Zeitschriften. Meine Praxis haben in den 15 Jahren höchstens zwei oder drei Pharma-Vertreter betreten – weil ich eine Frage hatte.
Und dennoch: Ich habe Angestellte entlassen und meinen hochqualifizierten Mitarbeitern das 13. Monatsgehalt streichen müssen, an Neueinstellungen ist nicht zu denken. Und das, obwohl über 100 Patienten am Tag die Arbeitsbelastung für alle ständig steigen lassen. Und dann muss ich lesen, dass Frau Storf an mein „ärztliches Ethos“ appelliert.
Ich bitte Sie, lassen Sie das, mir wird schlecht von dieser Heuchelei, und vielen meiner Kollegen auch. Appellieren Sie doch stattdessen an die wirklich Verantwortlichen, die der Bevölkerung ein solidarisches Gesundheitswesen unter dem verlogenen Vorwand einer „Kostenexplosion“, die es noch nie gegeben hat, wegrationieren, zum Beispiel durch die ökonomische Zerstörung von Arztpraxen und das finanzielle Austrocknen von Krankenhäusern.
BERND HONTSCHIK, Frankfurt am Main
Oh, ihr Pharisäer!
betr.: „Mancher Kranke wartet zwei Monate“
Oh, ihr Pharisäer! „Geld darf keine Rolle spielen“ – das einem Arzt zu sagen, dem die Politik pausenlos einprügelt: sparen, sparen, sparen, ist wahrhaft lächerlich. Nur ein Beispiel: Die Krankenkasse sagt: Ihr Praxisbudget ist erschöpft! Für die Mehrarbeit bezahlen wir ein Zehntel der Vergütungssätze. Na, das motiviert einen doch richtig doll, oder? Und damit wir uns richtig verstehen: In Berlin sind das ungefähr 20 Euro! Nicht pro Vorstellung, sondern für drei Monate! Also lasst mich in Ruhe mit eurem Gewäsch von „Geld darf keine Rolle spielen“. THOMAS HOFFMANN, Berlin
Na, das ist doch wohl Realsatire
betr.: „Kassenpatienten brauchen Geduld“, taz vom 22. 2. 07
Ich soll mich an den Patientenbeauftragten der KV wenden, wenn ich mich als Kassenpatient von Ärzten benachteiligt fühle. Na, das ist doch wohl Realsatire. Nicht nur an den, nein, auch an die Patientenbeauftragte der Bundesregierung habe ich mich gewandt. Sie sprach ihr Bedauern über meinen Fall aus und gab mir den Rat, mich an einen Facharzt 250 Kilometer von meinem Wohnort entfernt zu wenden. Die zuständige KV riet mir, mich an Ulla Schmidt, die Bundesgesundheitsministerin, zu wenden, denn sie wäre die Verursacherin meines Problems. Die betreffenden Fachärzte würden aus guten Gründen keine Kassenpatienten mehr behandeln.
Wäre ich Privatpatient, ich hätte diese Probleme nicht gehabt. Ich Idiot bin aber vor Jahren aus politischer Überzeugung vom Privatversicherten als freiwillig Versicherter in die Gesetzliche übergewechselt. (Ich vertrat die Idee der Einheitsversicherung skandinavischer Prägung.) Aber eins beruhigt mich immer wieder. Sterben müssen wir alle, egal ob privat oder gesetzlich Versicherter.
REINHARD GOTTORF, Reinheim
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