: Dystopia. Kein Frieden, nirgends
GEOSTRATEGISCHE POLITIK Ukraine, Palästina, Irak: In all den neu aufflammenden kriegerischen Auseinandersetzungen wird gefordert, sich auf eine Seite zu schlagen. Waffen, Soldaten, Sanktionen sollen Frieden schaffen. Polarisiert diskutieren auch die Leser der taz
Begrüßenswert
■ betr.: „Gysi fordert Waffen für Kurdistan“, taz vom 12. 8. 14
Die IS-Terroraktivitäten können uns Deutsche nicht gleichgültig sein, werden sie doch von Teilen unserer Landsleute unterstützt. Bei ihrer Rückkehr nach Deutschland können diese dann auch eine Gefahr für uns darstellen. Erst kürzlich nahm die Bundespolizei einen Terrorverdächtigen aus Syrien am Flughafen Tegel fest. Während die CDU-Kanzlerin bezüglich Waffenlieferungen zur Bekämpfung des IS-Terrors zögert, meldet sich nunmehr der ansonsten streng antimilitärisch positionierte Oppositionsführer im Deutschen Bundestag, MdB Dr. Gregor Gysi, mit einer Forderung nach solchen Waffenlieferungen zu Wort. Ich begrüße den außenpolitischen Schwenk der Linkspartei, welcher auch Sondierungsgespräche für eine mögliche rot-rot-grüne Bundesregierung vereinfachen könnte. HOLGER VOSS, Berlin
Ein Machtmensch
■ betr.: „Jenseits der Rechthaberei“, taz.de vom 13. 8. 14
Ist Gysi wirklich ein Linker? Für meine Begriffe nicht. Er ist nur ein ganz alltäglicher Machtmensch, der endlich „regierungsfähig“ werden will. Die einzige Person, die ich für links, also im engen Sinne für sozial halte, ist Frau Wagenknecht. Und die wurde abgesägt, weil sie Gysis Ministerträume gefährdete. Wer A sagt, muss auch B sagen! Wer „Waffen“ sagt, wird bald auch „Krieg“ und „Soldaten“ sagen müssen. Wer unsere Gründungsverfassung ernst nimmt, müsste auch zwingend zum Wohle aller Menschen, mindestens in unserem Lande handeln. In den ersten 12 bis 16 Jahren war das auch so. Eine Merkel und ein Gauck wären sogar von der ganzen Presse davongejagt worden. Das Ergebnis war das „deutsche Wirtschaftswunder“. RAINER PAKOSCH, taz.de
Verlogene Debatte
■ betr.: „Gysi verärgert Linkspartei“, taz vom 13. 8. 14
Die jetzt in der deutschen Politik aufkeimende Debatte über Waffenlieferungen an die Kurden halte ich für vollkommen verlogen. Denn in andere Konfliktgebiete wird geliefert. Trotz der bestehenden restriktiven Richtlinien, nicht in Kriegs- oder Konfliktgebiete zu liefern, werden seit langer Zeit Waffengeschäfte mit Israel gemacht (U-Boote, Transportpanzer, Korvetten etc.), und bisher hat jede Regierung diesen Zustand tabuisiert. Deshalb ist der Eiertanz, den die Bundesverteidigungsministerin jetzt mit Sprengfallen-Detektoren und gepanzerten Fahrzeugen für den Nordirak aufführt, einfach nur lächerlich.
HARTMUT GRAF, Hamburg
Nicht auserwählt
■ betr.: „Sind Juden in Deutschland noch sicher?“, sonntaz-Frage vom 9./10. 8. 14
Die Aussage des israelischen Botschafters ist bemerkenswert: Er nennt Israel „Heimstätte des jüdischen Volkes“, ungeachtet dessen, dass amerikanische jüdische Vereinigungen genau das ablehnen und Israel nicht als ihre Heimatnation erkennen; dass in einigen nordafrikanischen Staaten mehr Arabisch sprechende Juden leben als in Israel selbst; dass ein holländischer, jüdischer Philosoph und Rabbiner des 17. Jahrhunderts – Baruch de Spinoza – die im jüdischen Glauben postulierte Position des „auserwählten Volkes der Juden“ infrage stellte und an Hand der Bücher Moses widerlegte.
Interessant ist auch, dass es in Israel meines Wissens keinen herausragenden oder hochrangigen Politiker gab oder gibt, der nicht europäischer Herkunft war/ist. Arabisch- oder auch russischstämmige Juden werden eher diskriminiert, und nur sehr wenige davon begleiten ein politisch wichtiges Amt. Und pardon, es muss die Frage erlaubt sein, ob unter diesen Umständen von einem israelischen Volk gesprochen werden kann, auch wenn in der Vorgeschichte im heutigen Palästina Volksstämme wie Judäer und Makkabäer lebten. Hier werden nach wie vor die aus zionistischer Sicht vertretenen Interessen hochgehalten, die auch die Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten rechtfertigen. Welch ein Anachronismus!
Aber immerhin sieht Herr Hadas-Handelsman keine unbedingte Gefährdung von deutschen Mitbürgern jüdischen Glaubens, im Gegensatz zu Frau Knobloch, die einen extremen Judenhass ausmacht und einzelne Vorkommnisse – aus Belgien und Frankreich – mit dem Holocaust gleichsetzt. Ebenso übersieht sie, dass ein Teil der antisemitischen Parolen von Menschen mit islamischem Hintergrund auf Demonstrationen skandiert wurden, denen man bestimmt keine Teilhabe am Holocaust unterstellen kann und die in Deutschland selbst Ziel rassistischer Ablehnung sind. Ich will auf keinen Fall beschönigen, dass es nach wie vor rechte Tendenzen in Deutschland gibt, aber die momentane Situation als die „für Juden bedrohlichste Zeit seit 1945“ zu bezeichnen, bedarf schon einer starken Wahrnehmungsverschiebung.
ALBERT WAGNER, Bochum
Dank den USA
■ betr.: „Zahlen und raushalten“, taz vom 12. 8. 14
Unsere Hochachtung und unser Dank gelten den USA. Sie sind das einzige Volk, das sich den internationalen Mörderbanden noch entgegenstellt. Nur sie bieten den Menschen noch Sicherheit. Schändlich dagegen das Verhalten der Völker des einst so bedeutenden Europas, das heute zusammengepfercht in der unfähigen und hässlichen EU einem sozialistischen Einheitsbrei entgegengeht. Versager auch das deutsche Volk, heute überwiegend eine Ansammlung von feigen Bedenkenträgern und Jammerlappen. HERBERT GAISER, München
Es gibt keinen Aufschrei
■ betr.: „Die große Verunsicherung“, taz vom 9./10. 8. 14
Die Blaupause für das aktuelle Geschehen haben wir bei der Vorbereitung des letzten Irakkrieges erlebt. Nun wurde erst Putin dämonisiert und als das Böse schlechthin dargestellt. Gleichzeitig haben unsere Regierenden, die sich gern als Verteidiger der Menschenrechte präsentieren, kein Problem damit, zum Beispiel Saudi-Arabien als Freund zu hofieren und mit modernster Waffentechnik auszurüsten und dabei sogar noch die eigenen Gesetze mindestens zu beugen. Es gab keinen Aufschrei, als Frau (!) von der Leyen bereits in den ersten Tagen der Ukrainekrise mehr Präsenz von Nato und Bundeswehr forderte. Ebenso wenig, als der Nato-Generalsekretär zusätzliche Militärausgaben forderte. Nicht einmal bei den „Grünen“, als deren EU-Abgeordneter Schulz in einer Talkshow sich dieser Forderung anschloss. Proteste habe ich auch nicht gehört, als Klaus-Helge Donath in der taz mit dem Abschuss der Maschine des Flugs MH 17 den Verteidigungsfall gekommen sah und die taz auf der Titelseite den Ort nach „mitten in Europa“ verlegte.
In diese unheilige Allianz reihen Sie, Frau Pohl, sich ein, wenn Sie lapidar und in einem Nebensatz bemerken, dass „natürlich Präsident Putin verantwortlich zu machen ist“, obwohl Sie vorher noch meinten, es sei journalistische Pflicht, einfache Schuldzuweisungen zu hinterfragen. UWE SPIECKERMANN, Buchholz
Hass hier, Friedenssehnsucht dort
■ betr.: „Netanjahu verbittet sich Zweifel“, taz vom 4. 8. 14
Ich würde gerne wissen, was andere von ihren Regierungen erwarten würden, wenn Raketen in ihren schönen Vorgärten landen? Ab wie vielen ermordeten Zivilisten der israelischen Bevölkerung darf der jüdische Staat denn auf die Angriffe der Hamas reagieren, bei 1, 10 oder 100? Wenn die Hamas ihre Energie in Frieden, Aufbau vor Ort statt Raketenbau, Waffenschmuggel etc. investieren würde, könnte Israel sich nicht auf das Selbstverteidigungsrecht berufen, sondern „müsste“ sie in Frieden lassen. Aber dann könnte die Hamas Israel nicht mehr anklagen, was absolut nicht in ihrem Interesse liegen kann. Wie im Westjordanland, wo Israel keinen einzigen Angriff geflogen hat, weil die Fatah mittlerweile von der Gewalt abgekehrt ist.
Gehen wir mal davon aus, Israel würde 10 Jahre oder länger nicht auf die Raketen reagieren. Es würden so einige Zivilisten auf israelischem Staatsgebiet durch die Angriffe ermordet werden. Das wäre nur das kleinste Problem: Da die arabischen Länder die militärische Zurückhaltung Israels als eine Schwäche und nicht als Friedensangebot verstehen werden, schießt dann die Hisbollah Raketen auf Israel, wahrscheinlich würde auch die Fatah wieder zur Gewalt zurückkehren. Andere arabische Länder wie Syrien werden hinzukommen, wenn die Aufstände niedergeschlagen worden sind, denn die haben ja keine Konsequenzen zu fürchten. Israel wird also gezwungen zu reagieren!
Israel versucht alles Mögliche, unschuldige Zivilisten nicht zu treffen. Während Israel versucht, ihre Bevölkerung vor den Raketen zu schützen, schützt die Hamas ihre Raketen mit menschlichen Schutzschilden, wie pervers ist das denn? Für mich sind die Fronten klar verteilt, auf der einen Seite purer Hass und Vernichtungswillen, auf der anderen Seite gibt es die Sehnsucht nach Frieden.
BENEDIKT RÖHL, Wolfsburg
Definitorisches Glatteis
■ betr.: „Sind Juden in Deutschland noch sicher?“, sonntaz-Frage v. 9./10. 8. 14
„Als Vertreter Israels, der Heimstätte des jüdischen Volkes“ – mit dieser Behauptung begibt sich der diplomatische Vertreter des Staates Israel, Herr Hadas-Handelsman, bereits auf definitorisches Glatteis. Er vertritt nämlich nicht „das jüdische Volk“ (ein Begriff, zu dessen Klärung mindestens 20 Meter Bibliotheksregale zu absolvieren wären), sondern den real existierenden Staat Israel. Und hier liegt das eigentliche Problem. Ignatz Bubis, dessen Nachfolger ihm allesamt nicht das Wasser reichen können (und das ist noch ein Kompliment), hat sich sein Leben lang dagegen gewehrt, dass man immer zu ihm sagte: „Ihr macht ja dies oder das“, wenn es um israelische Politik ging. Er sagte dann regelmäßig: „Ich weiß gar nicht, was Sie wollen, ich bin jüdischen Glaubens und ansonsten Frankfurter Bürger und Deutscher. Wenn Sie sich mit Israel auseinandersetzen wollen, wenden Sie sich an die israelische Botschaft“. HEINZ MUNDSCHAU, Aachen