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Archiv-Artikel

Nicht allein Training

Bei Ermittlungen gegen Dopingmittel-Dealer in den USA finden sich etliche Spitzensportler auf den Kundenlisten

BERLIN taz ■ Von einem Kollateralschaden sprach Gary Wadler nach der Aktion. Eigentlich wollten Ermittler nur ein paar Onlinegiftküchen in den Staaten Alabama, New York und Rhode Island ausheben. Doch sie fanden bei den Vertreibern von Wachstumshormonen, Steroiden und anderen Muskelmachern auch Kundenlisten. Darauf waren neben diversen celebrities auch ein paar pfundige Sportskanonen verzeichnet. Wadler, Mitglied der Welt-Antidopingagentur Wada, sagte, er sei ganz froh, dass sich die Ermittlungen nicht zuerst auf Athleten gerichtet hätten, sondern sie quasi als Dreingabe angefallen seien.

Wadler lobte das strikte Vorgehen der Behörden. Nur mit staatlichen Mitteln sei Hintermännern und Dopingnetzwerkern beizukommen, allein Dopingtests reichten schon lange nicht mehr, so Wadler. Es passiert in den Staaten ja immer häufiger, dass sich die nationale Antidopingagentur Usada mit der Drogenbehörde DEA zusammenschließt oder auch mit Ermittlern der Steuerfahndung und Beamten des FBI. Nach den Dopingskandalen der vergangenen Monate und Jahre ist den Verantwortlichen klar geworden, dass Urinproben gut und schön sind, aber das Problem des Medikamentenmissbrauchs eher kaschieren als bekämpfen.

Im Mittelpunkt der Affäre, die sich diesmal nicht wie im Balco-Skandal an der Westküste der USA, sondern vorwiegend an der Ostküste abspielt, steht ein Arzt der Pittsburgh Steelers. Er soll für die Footballprofis des NFL-Teams im großen Stil Dopingmittel bestellt haben. Seine Kreditkarte wurde angeblich mit 150.000 Dollar belastet – für diese Summe lassen sich schon ein paar Testosteronpillen und andere muscle booster einkaufen. Auch der Outfielder der Los Angeles Angels, Gary Matthews Jr., der frühere Schwergewichtsweltmeister im Profiboxen Evander Holyfield und der ehemalige Baseballstar Jose Canseco sollen in den Fall verwickelt sein. Ebenfalls im Fokus der Ermittler: der frühere Pitcher der Arizona Diamondbacks, Jason Grimsley. Die Beteiligten schweigen, streiten ab, lassen ihre Anwälte Krisenmanagement betreiben. Das übliche Prozedere.

Dass die Ermittler „zufällig“ auf prominente Sportler treffen, ist so zufällig nicht, denn der US-Profisport ist durchsetzt mit Athleten, die sich nicht nur auf ausgefeiltes Training verlassen. Über 30 Jahre hätten es die USA versäumt, dagegen anzugehen, ist nun von der Antidopingbehörde zu hören. Erst seit 2000, dem Gründungsjahr der Usada, und spektakulären Ermittlungserfolgen im Balco-Fall wird der Öffentlichkeit klar, wie verbreitet die Einnahme von Dopingmitteln war – und zum Teil immer noch ist.

Die Profi-Ligen haben es bisher abgelehnt, die Hoheit über die Dopingtests an die Usada abzugeben – trotz eindeutiger Aufforderung von Kongressmitgliedern. In der Eishockeyliga NHL ist das Testprogramm nicht das Papier wert, auf dem es steht, und auch in anderen Ligen wird ein Dopingvergehen als Kavaliersdelikt abgetan. Das könnte sich nun ändern. Der Ruf nach einem starken Staat wird im US-Sport lauter. MARKUS VÖLKER