: Deutsche gehen mit ihrem Geld stiften
Allein im letzten Jahr gründeten sich 900 Stiftungen. Nur: Sie sind nicht von Dauer. Sie dienen als Steuersparmodell
BERLIN taz ■ Deutschlands Stiftungswesen boomt. 900 neue Stiftungen hat es allein im vergangenen Jahr gegeben. Damit war 2006 das gründungsstärkste Jahr in der Stiftungsgeschichte überhaupt. Doch Stiftung ist nicht gleich Stiftung.
„Was Stiftungen betrifft, die nicht nur auf Wohltätigkeit, sondern auf langfristigen sozialen Wandel setzen, befindet sich Deutschland noch im Entwicklungsstadium“, sagt Felix Kolb, Gründer und Geschäftsführer der Bewegungsstiftung. Sie feierte gestern fünften Geburtstag.
„Hier mal Geld für Schulbücher, dort ein Zuschuss für eine Armentafel – Charity ist ja schön und gut“, sagt Kolb. „Doch an die Wurzeln der Probleme gehen nur die wenigsten.“ Die Bewegungsstiftung sei anders. Sie unterstützt durch Zuschüsse, Kredite und Beratung Aktivisten aus sozialen Bewegungen. Förderkriterien seien eine gewaltfreie ökologisch verträgliche und demokratische Arbeitsweise, sagt Kolb – „Wir setzen auf langfristige Veränderungen.“
Gegründet wurde die Bewegungsstiftung am 2. März 2001 vor allem von AktivistInnen aus dem Umfeld des Umweltzentrums im niedersächsischen Verden. Die Bürger engagieren sich dort seit langem mit Bildungsarbeit und Kampagnen etwa gegen die Castor-Transporte ins Atomzwischenlager Gorleben.
Die Förderer ließen nicht lange auf sich warten. Zehn Stifter brachten ein Kapital von 250.000 Euro an den Start. Und es wurde mehr: Während im ersten Jahr gerade einmal 1.000 Euro ausgeschüttet werden konnte, sind seitdem etwa 500.000 Euro an rund 40 Projekte und Initiativen der sozialen Bewegungen gegangen. Dazu gehören Projekte von Attac und eine Initiative, die verhindert hat, dass das bulgarische Atomkraftwerk Belene durch deutsche Banken finanziert wird.
Auch eine Kampagne der Umweltorganisation Robin Wood, die gegen die geplante Privatisierung der Deutschen Bahn protestiert, wurde von der Bewegungsstiftung unterstützt. 2,1 Millionen Euro beträgt das Stiftungskapital mittlerweile. „Das hätten wir uns nicht träumen lassen“, erzählt Kolb.
Triebfeder für den Stiftungsboom ist die Kapitalanhäufung der Deutschen. Mehr als 1,35 Millionen Haushalte verfügen über ein Anlagevermögen zwischen 150.000 und 300.000 Euro. Vielen geht es finanziell gut. Sie wollen der Gesellschaft etwas zurückgeben. Den enormen Anstieg der Neugründungen sieht Kolb allerdings nicht nur positiv. Denn: Seit der Reform des Stiftungsrechts im Jahr 2000 liegt der Mindestbeitrag zur Gründung einer Stiftung nur noch bei 50.000 Euro. Nötig, so sagt Kolb, seien aber mindestens 1 Million Euro, damit Personal und Projekte langfristig finanziert werden könnten.
Zudem kann der Stifter einen Betrag von bis zu 307.000 Euro steuerlich geltend machen, allerdings nur im ersten Gründungsjahr. Das führt dazu, dass vor allem die Gründung selbst attraktiv ist. Dies habe zu einer Zersplitterung der Stiftungslandschaft geführt, sagt Kolb. Stiftungen seien häufig nicht mehr auf Dauer angelegt. Der eigentliche Zweck der Rechtsform Stiftung käme zu kurz – Kapital zur Unterstützung der Gesellschaft für die Ewigkeit anzulegen.
Die Bewegungsstiftung hatte sich vor kurzem noch zum Ziel gesetzt, bis Ende 2007 über ein Stiftungskapital von 5 Millionen Euro zu verfügen. „Dies wird wohl nicht erreicht werden“, gibt Kolb zu. Dafür habe man das zweite Ziel bereits letztes Jahr erreicht. Das lautete, nach fünf Jahren mindestens 50 Stifter zu finden. Aktuell sind es 72. FELIX LEE