: Wichtiger kleiner Sturm an der Küste
FESTIVAL Das Riddu Riddu nahe der norwegisch-finnischen Grenze ist das großartige Musikfestival der Sámi, die im Norden Norwegens, Finnlands, Schwedens und Russlands leben. Jetzt kommt es auch nach Berlin
■ Play Nordic ist ein skandinavisches Design- und Musikfestival in Berlin, das 2014 zum ersten Mal stattfindet und noch bis zum 1. Oktober geht. Im Felleshus, dem Nordischen Haus der Kultur (Rauchstr. 1, Tiergarten), gibt es eine Dauerausstellung mit zeitgenössischem skandinavischem Design und Gegenständen der Alltagskultur. Auch Plattenläden und der Berliner Magazinladen „do you read me?“ haben bei der Einrichtung der Designausstellung mitgewirkt. www.play-nordic.com
■ Das Play Nordic Music Festival ist ein Teil des Festivals und stellt an einzelnen Abenden skandinavische Künstler aus den Bereichen Rock, Pop, Folk, Jazz und Klassik vor. Der samischen Musikkultur widmet sich der Gastabend des hier vorgestellten „Riddu Riddu“-Festivals am Donnerstag, 21. August, ab 18 Uhr (ebenfalls im Felleshus). Die Filmvorführung „Yoik Fever“ (Mittwoch, den 27. August, 19 Uhr) ergründet schließlich den samischen Joikgesang dokumentarisch. (jut)
VON JENS UTHOFF
Bei dem Namen geht es schon los. In dem ist mehr Melodie drin, als man dies vielleicht zunächst vermuten würde. „Riddu Riddu!“, ruft die samische Bevölkerung, dieses indigene Völkchen im Norden Skandinaviens, genau einmal im Jahr Mitte Juli aus – dabei wird das „r“ maximal gerollt, als wolle man den Laut genussvoll mit der Zungenspitze in die Länge ziehen. Das „u“ weist eine leichte Tendenz zum „ü“ auf.
„Riddu Riddu“ bedeutet „kleiner Sturm an der Küste“, die nordische Bevölkerung will aber mit dem euphorisch vorgetragenen Ausruf weniger vor gefährlichen Winden warnen als auf das traditionelle Festival gleichen Namens hinweisen. Mit dem Slogan begrüßt und verabschiedet man die Festivalgäste, die sich zu dem Viertagefest, das mitten in der arktischen Wildnis Folk Music mit Feierei, Hippietum mit Hipness verbindet, einfinden. Dieses Jahr gab es das Festival bereits zum 23. Mal.
Mit Berlin scheint dies auf den ersten Blick erst mal nicht so viel zu tun zu haben, findet das Riddu Riddu Festival doch in Manndalen, gut 60 Kilometer östlich von Tromsø, nahe der norwegisch-finnischen Grenze, statt. Berlins skandinavische Community aber wächst und wächst – allein im vergangenen Jahr gab es einen Zuwachs von knapp 1.000 Bewohnern, die aus den skandinavischen Ländern stammen.
Und die Musik- und Kunstszenen der nordischen Länder waren ohnehin schon sehr präsent in Berlin. Das Osloer „By:larm“, das größte skandinavische Musiktreffen, wird sich etwa bei der Berlin Music Week Anfang September vorstellen – und beim CTM-Festival gastierte zuletzt das Insomnia-Festival (Tromsø). Nun stellt die norwegische Botschaft in diesem Jahr erstmals „The Riddu Riddu Festival in Berlin“ vor.
Am kommenden Donnerstag wird das Kulturfestival der Sámi-Bevölkerung im Rahmen des „Play Nordic“-Festivals, das noch bis Anfang Oktober läuft (s. Kasten), im Felleshus einen Gastauftritt haben. Die Sámi, die im Norden Norwegens, Finnlands, Schwedens und Russlands leben, werden hierzulande eher Lappen („Rand“) genannt – sie selbst aber legen Wert auf die Bezeichnung Sámi („Sumpfleute“). Für das lange verfolgte und zum Teil bis heute diskriminierte Volk, das man auf 90.000 bis 140.000 Menschen schätzt, ist das Riddu Riddu das wichtigste Musikfestival – meist besuchen auch Gruppen anderer indigener Völker das Happening am Polarkreis.
„Das Thema Urvölker ist immer relevant“, sagen Rüdiger Alms und Øyvind R. Haugen, Sekretäre der Nordischen Botschaften in Berlin, „denn Urvolkskultur steht ständig unter Druck – fast überall in der Welt. Die samische Kultur ist etwas Besonderes, das wir mit unseren nordischen Nachbarn teilen und was in Deutschland vielleicht auch auf Resonanz trifft.“ Man wolle die stereotypen Sichtweisen auf diese Völker aufbrechen.
Dazu wird beim Besuch des Riddu Riddu in Berlin die (inzwischen ehemalige) Festivalleiterin Kirsti Lervoll von der Sámi-Kultur und von der Bedeutung des Festivals erzählen. Die samische Musikerin Elin Kåven wird auftreten. Sie wird das Publikum zum einen mit der Stimmtechnik des Joikens vertraut machen, dem traditionellen Gesang der Sámi-Bevölkerung, der wie eine Melange aus Volksgesang, Summen und Jodeln klingt. Zum anderen werden Lervoll und Kåven zeigen, wie Popgenres heute auf diese traditionelle samische Musikkultur treffen.
Eine Diskussion, moderiert von taz-Redakteur Jan Feddersen, wird sich mit der Bedeutung der Musikkultur für die Sámi-Bevölkerung und dem musikalischen Austausch zwischen Deutschland und Skandinavien befassen. Außerdem stellt sich mit dem Folkelarm-Festival in Oslo noch ein weiteres norwegisches Festival vor – bei der diesjährigen Auflage des Folkelarm Ende September ist Deutschland Gastland.