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Archiv-Artikel

Neonazi beendet Tiraden

Mannheimer Prozess gegen Holocaust-Leugner Germar Rudolf geht überraschend schnell in die Schlussrunde. Staatsanwaltschaft fordert zweieinhalb Jahre Haft

MANNHEIM taz ■ Nach dem Abschluss des Verfahrens gegen den Holocaust-Leugner Ernst Zündel geht vor dem Mannheimer Landgericht nun auch der Prozess gegen seinen 41-jährigen Gesinnungsgenossen Germar Rudolf einem raschen Ende entgegen. Schon am Donnerstag will die Kammer ihr Urteil verkünden. Zündel war zu Mitte Februar zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Überraschend entledigte sich der angeklagte Diplomchemiker Rudolf gestern seiner rechtsextremistischen Anwältin Silvia Stolz, die bereits im Prozess gegen Zündel wegen Leugnung des Holocaust und Missachtung der Strafprozessordnung vom Verfahren ausgeschlossen worden war. Stolz wird sich demnächst selbst vor Gericht verantworten müssen, falls das Gericht die Klage zulässt – woran Staatsanwalt Andreas Grossmann gestern nicht zweifelte.

Im Verfahren gegen Rudolf hatte Stolz erneut versucht, mit absurden Beweisanträgen zur „Holocaust-Lüge“ den Prozess zu verschleppen. Nach ihrem Abgang zog der im Verfahren verbliebene rechtsextremistische Anwalt Ludwig Bock – auch einer der Verteidiger von Zündel – alle noch nicht vom Gericht beschiedenen Beweisanträge der Verteidigung zurück. Einen Kommentar, warum er Stolz von ihrem Mandat entbunden hatte, gab Rudolf nicht ab.

Auch nach dem anschließenden Plädoyer von Staatsanwalt Grossmann schwieg der Angeklagte, der im Verlauf des Verfahrens den Vorwurf weit von sich gewiesen hatte, ein bekennender Nationalsozialist und Antisemit zu sein. Den Beifall des überwiegend braunen Auditoriums nahm er allerdings immer gern in Empfang. Den „reinen Wissenschaftler“ (Rudolf über Rudolf) störte es auch nicht, dass seine Wunschlisten für die Zeit der Untersuchungshaft auf der berüchtigten „Zundelsite“ von Zündels Ehefrau Ingrid Rimland im Internet kursierten. Oldies der Fünfziger- und Sechzigerjahre wollte er haben – „aber bitte keine Stones“. Und was liest der Revisionist gern? Schopenhauer: „Aphorismen zur Lebensweisheit“.

Ob die ihn zur späten Einsicht brachten? Staatsanwalt Grossmann jedenfalls erkannte in seinem Plädoyer an, dass es Rudolf dem Gericht mit der Entfernung von Stolz erspart habe, weiter die hasserfüllten Tiraden der brauen Advokatin mit anhören zu müssen. Dadurch könne das im November 2006 begonnene Verfahren jetzt schnell zu Ende gebracht werden. Allerdings sei Rudolf einschlägig vorbestraft und unbelehrbar.

Schon 1995 war Rudolf vom Landgericht Stuttgart wegen Volksverhetzung zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt worden. Weil er im Internet und auch in seinem Buch „Vorlesungen über den Holocaust“ den unwiderlegbaren Massenmord an den Juden geleugnet habe, beantragte Grossmann wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener die Verhängung einer Gesamtstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.

Im Anschluss verzichtete Rechtsanwalt Bock auf ein Plädoyer. Nur der neue Pflichtverteidiger forderte pflichtgemäß eine niedrigere Strafe von bis zu zwei Jahren und vier Monaten. Am besten resozialisiert werde Rudolf zu Hause bei seiner Familie in den USA. Seine Frau, so hofft der junge Verteidiger, werde ihn „vielleicht vom Rechtsradikalismus abbringen“.

Die vielen Alt- und wenigen Neonazis im Gerichtssaal gingen enttäuscht nach Hause. Ihr Idol Stolz geschasst, und Rudolf bettelte indirekt um Gnade – da wollen viele der Hobbyrevisionisten zur Urteilsverkündung am Donnerstag gar nicht mehr anreisen. Den rührigen Staatsanwalt und die Kammer wird es freuen. Auch ein Verhandlungserfolg.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT