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Archiv-Artikel

„Belastungen mit ungewissem Umfang“

Eine Stiftung ist gut geeignet, Altlasten zu verwalten, sagt der Essener Stiftungsrechtsexperte Ambros Schindler

AMBROS SCHINDLER, 60, ist Leiter des Deutschen Stiftungszentrums im Stifterverband. Das DSZ in Essen verwaltet und berät Stiftungen.

taz: Herr Schindler, ist es eine gute Idee, die Steinkohle in eine Stiftung zu überführen?Ambros Schindler: Das ist zunächst mal eine interessante Stiftungsvariante, wenn ein Unternehmen seine Altlasten – in diesem Fall die Rückführung der Steinkohle-Förderung – durch eine Stiftung organisieren will. Allgemein lässt sich sagen, dass Stiftungen gut geeignet sind, ein Vermögen rechtssicher und geschützt zu verwalten und die Erträge auf ewig für die von dem Stifter bestimmten Zwecke einzusetzen. Zu klären ist, ob nur die Erträge oder auch das Vermögen der RAG-Stiftung für die Zwecke eingesetzt werden sollen.

Eine Stiftung als Unternehmen. Gibt es Erfahrungswerte, ob das erfolgreich sein kann?95 Prozent aller Stiftungen in Deutschland sind gemeinnützige Stiftungen – ohne unternehmerische Aktivitäten. Für die kleine Gruppe der Unternehmensträgerstiftungen existieren aber durchaus positive Vorbilder. Die Bertelsmann-Stiftung beispielsweise arbeitet mit einem höheren Volumen als die geplante RAG-Stiftung. Anders ist ja bei der Steinkohle-Stiftung, dass hier nicht ewig Kohle abgebaut, sondern vielmehr das Auslaufen der Bergbauaktivitäten solide organisiert wird. Ich gehe davon aus, dass die Stiftung nicht unmittelbar unternehmerisch aktiv sein wird, sondern durch Gesellschaften, an denen die Stiftung beteiligt ist.

Lässt sich die Montan-Mitbestimmung auf das Stiftungsrecht übertragen?Die Mitbestimmung bei Kohle, Eisen und Stahl ist generell ein Auslaufmodell. Eins zu eins lassen sich die Machtstrukturen sicher nicht übertragen.

Wer bestimmt in der Stiftung: Vorstand? Kuratorium?Der Vorstand wird vom Kuratorium bestellt. Das Stiftungs-Kuratorium lässt sich mit dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft vergleichen.

Die FDP fürchtet, dass die Gewerkschaft das Kuratorium der Stiftung beherrscht.Wer die Mehrheit im Kuratorium hat, bei dem liegt die Macht. Da mir die Satzung für die RAG-Stiftung nicht vorliegt, lässt sich darüber nur spekulieren.

Womit ist die RAG-Stiftung vergleichbar in der deutschen Stiftungslandschaft?Allenfalls mit der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, bei der die deutsche Industrie und der Staat 10 Milliarden in eine Stiftung eingebracht haben, um die Zwangsarbeiter-Entschädigung zu finanzieren. Der Vergleich ist sicher nicht in allen Punkten passend: Aber auch dort ging es wie bei der RAG-Stiftung um die Bewältigung historischer Belastungen mit ungewissem Umfang.

INTERVIEW: MARTIN TEIGELER