: Ghana feiert die Befreiung Afrikas
Gestern beging Ghana, 1957 die erste unabhängige europäische Kolonie in Afrika südlich der Sahara, den 50. Jahrestag seiner Freiheit. Damals entwickelte sich Unabhängigkeitsheld Kwame Nkrumah zum Autokraten, heute wird sein Erbe geschätzt
AUS ACCRA HAKEEM JIMO
Mit einem gigantischen Straßenfest hat Ghana gestern den 50. Jahrestag seiner Unabhängigkeit zelebriert. Ghana, das am 6. März 1957 als erste europäische Kolonie in Afrika südlich der Sahara die Unabhängigkeit erlangte, beging den historischen Tag mit nächtlichen Feuerwerken, einer Straßenparade und einem Volksfest, zu der auch eine Nachaufführung der Unabhängigkeitszeremonie von vor fünfzig Jahren gehörte. 12 afrikanische Staatspräsidenten waren anwesend, unter anderem aus Südafrika, Nigeria, Simbabwe und Kongo.
Die größte Party in der Geschichte des Landes war wochenlang vorbereitet worden, soll das ganze Jahr weitergehen und kostet insgesamt umgerechnet rund 15 Millionen Euro. Für umgerechnet knapp einen Euro konnten Autofahrer, vor allem Taxifahrer, Miniaturausgaben der gelb-rot-grünen Nationalflagge mit dem schwarzen Stern erwerben. Am „Ground Zero“, dem großen Platz der Unabhängigkeit mitten in der Hauptstadt Accra, wurden die Tribunen frisch gestrichen. Über dem Triumphbogen am Platz ragt der größte schwarze Stern über dem Motto: Gerechtigkeit und Freiheit 1957.
Die Feier war in Ghana ein Anlass für kritische Rückblicke. Kein Land in Afrika hat eine ältere europäische Präsenz gehabt: 1482 errichten die Portugiesen erste Handelsstationen an dem Teil der westafrikanischen Küste, der heute Ghana heißt. 1874 erklären die Briten die Küstenregion zur Kronkolonie. Ghana brauchte aber keinen blutigen Unabhängigkeitskrieg wie etwa Algerien zu führen. Anders als die Franzosen erkannten die Briten schnell, dass der Aufwand, das Kolonialimperium zu unterhalten, nicht im Verhältnis zum Nutzen stand. Trotzdem kam Unabhängigkeitsführer Kwame Nkrumah Anfang der 50er-Jahre für seine radikale Forderung nach Selbstständigkeit ins Gefängnis. Aber schon bald wurde er Premierminister und erklärte zu Mitternacht am 6. März 1957: „Ghana, mein geliebtes Land, ist für immer frei.“
Gleich links hinter dem Tor zum Museumsgelände von Accra steht eine lebensgroße Statue von Kwame Nkrumah. Er ist in traditioneller Tracht, die Kleidung für Älteste, in grauen Beton gegossen. „Kwame Nkrumah spielt auch heute noch eine Rolle im Leben unserer Gesellschaft“, sagt Museumsdirektor Joseph Prempeh Maisie. „Unser Museum wurde einen Tag vor der Unabhängigkeit gegründet. Die Idee stammte von Kwame Nkrumah, dass eine Nation wie Ghana ein Nationalmuseum haben sollte.“
Viele sagen heute in Ghana, dass Kwame Nkrumah so beliebt ist wie nie. Als er nur neun Jahre nach Ghanas Unabhängigkeit 1966 durch einen Militärcoup ins Exil nach Guinea vertrieben wurde, herrschte dagegen Freude auf den Straßen Ghanas. Der Vater der Unabhängigkeit hatte im Laufe der Zeit deutlich autoritäre Züge angenommen. Ghana war ein Einparteienstaat geworden, in dem die Sicherheitskräfte Personen bis zu fünf Jahre ohne Gerichtsverfahren festhalten konnten. Nkrumah verstand sich als Präsident auf Lebenszeit.
Die Visionen des Unabhängigkeitsführers begeistern heute wieder viele der 21 Millionen Ghanaer. Denn nach Nkrumahs Sturz glitt Ghana über zwanzig Jahre lang in Instabilität ab, mit wiederholten Militärputschen. Erst in den 90er-Jahren wurde wieder die parlamentarische Demokratie eingeführt.
Dass Ghana in dieser Zeit nicht vollends zum Bürgerkriegsland wurde, hat mit Nkrumahs Erbe zu tun. So erkannte er früh die Gefahr der zerstörerischen Missgunst unter den vielen Ethnien des Landes. Dem wirkte er entgegen, unter anderem mit dem systematischen Aufbau einer besonderen Schulstruktur, nämlich dass Teenager aus allen Regionen Ghanas für die letzten Jahre der Ausbildung in Internaten zusammenkommen sollen. Dort entwickelte sich schnell unter den Jugendlichen ein Gefühl der Einheit. „Wir sind stolz in Ghana, dass wir uns als Nation sehen und nicht so viele Probleme miteinander haben wie andere afrikanischen Länder“, sagt die Studentin Wenida Owuso. Die Parteienlandschaft Ghanas ist nicht ethnisch strukturiert. Und unter dem 2000 gewählten Präsidenten John Kufuor ist Ghanas neue Demokratie friedlich geblieben.