MATTHIAS STÜHRWOLDT GRÜNLAND : Scheiße und andere Gefahren
Kinder spielen auf dem Bauernhof am liebsten dort, wo die Bretter am wackeligsten sind. Macht halt Spaß
Auf dem Bauernhof ist es gefährlich – das weiß jedes Kind. Und manche Eltern wissen es noch besser. Deshalb darf ein Freund unseres Sohnes schon seit Jahren nicht mehr bei uns spielen. Dessen Mutter, die das Verbot aussprach, war schon im Kindergarten dafür berüchtigt, dass ihr Sohn sich niemals schmutzig machen durfte und deshalb bei Schmuddelwetter mit Hinweis auf seine angeblich fragile Gesundheit im Gruppenraum mit Autos auf dem Straßenteppich herumfahren musste. Und nun war er mit nagelneuen Markenschuhen bei uns quer durch die Kuhscheiße gelaufen. Er dürfe nicht mehr herkommen, sagte er bei der nächsten Einladung, weil es auf dem Bauernhof so gefährlich sei.
An andere Gefahren als Kuhscheiße denke ich aber doch manchmal mit Sorge. Vor Kurzem hatte ich eine Grundschulklasse zu Besuch, die sich im Rahmen des Projektes „Gesunde Ernährung“ mal einen echten Bauernhof angucken wollte. Wie immer fanden die Kinder die Kälber süß und die Kühe interessant, aber am besten gefiel ihnen der Heuboden. Zwar sind die Seitenbretter lose und die Bodenplanken morsch, aber es macht einen Heidenspaß, von herumhängenden Tarzanseilen ins lose Stroh zu springen. Und das Tollste überhaupt ist die Strohballenrutsche, die wir einst vom Heuboden zum Futtertisch des Kuhstalls gezimmert hatten, um die Ballen nicht allzu weit werfen zu müssen. Es ist eine hemdsärmelig zusammengekloppte MDF-Platten-Konstruktion, die zum Transport von Stroh bestens und zum Transport von Kindern nicht minder geeignet ist. Eine TÜV-Abnahme und ein Geprüfte-Sicherheit-Abzeichen würde sie wohl nie bekommen. Trotzdem lasse ich immer wieder ganze Grundschulklassen den Weg der Strohballen empirisch nachvollziehen. Was soll ich sagen: Es ist fast noch nie etwas passiert. Außer dass die Gören ihren Spaß hatten.
Aber einmal spielte unser großer Sohn mit seinen Kumpels wilde Sau. Sie hatten einen großen Haufen Stroh aufgetürmt, packten sich auch welches unter die Füße und glitten die Rutsche mit voll Karacho im Stehen hinab. Einer war so schnell, dass er über den Haufen hinausschoss und auf dem Beton landete. Er humpelte, wollte sich von den anderen aber nicht als Weichei beschimpfen lassen und ließ sich nichts anmerken. Am nächsten Tag hörten wir, dass er sich den Fuß gebrochen hatte.
Was sagte ich: Auf dem Bauernhof ist es gefährlich. Aber man muss ja auch nicht gleich wilde Sau spielen.
■ Der Autor ist Biobauer in Schleswig-Holstein Foto: privat