: Vom Sound der Romantik
Mit ebenso kleinteiligen wie akribischen Zeichnungen stellt der Engländer Simon Lewis in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst die tradierten Sehgewohnheiten der Ausstellungs-BesucherInnen in Frage. Und bisweilen kommen seine Werke auch mit dem Text aus – und dem Bild im Kopf
Der Begriff „Landschaftsmalerei“ ist an dieser Stelle im Grunde genommen fehl am Platze. Weckt er doch unweigerlich die Assoziation an kollossale Ölschinken, aus einschlägigen Museen bekannt, ja: an Caspar David Friedrich. Doch genau darum geht es bei Simon Lewis. Und seiner Landschaftsmalerei, die zur Zeit in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) auf dem Teerhof zu sehen ist.
Doch anders als jene des wieder entdeckten deutschen Romantikers sind die Werke des 1965 geborenen Engländers nicht repräsentativ. Sondern äußerst kleinteilig. Seine Bilder, zumeist „paradiesische Fußnoten“ genannt, sind stets nur wenige Quadratzentimeter groß – dank einer akribischen Technik indes von einer immensen, fast fotografischen Tiefenschärfe. Die romantische Utopie einer vollkommenen, einer blühenden Landschaft erfüllen sie, zerstören sie aber auch nicht. Statt dessen lässt ihr radikal begrenzter Bildausschnitt jede Interpretation offen, selbst den Blickwinkel des Betrachters. Eine Ironie auf den kürzlich in der Hamburger Kunsthalle ausgestellten Caspar David Friedrich, vielleicht. Auf jeden Fall aber ein Bruch mit klassischen Sehgewohnheiten, tradierten Erwartungshaltungen.
Erstmals vollständig zu sehen ist in der GAK Lewis‘ kürzlich fertiggestelltes, 20-teiliges „Book of Soundings“ – eine Sammlung von bisweilen fast pedantisch exakten Bleistiftzeichnungen, die keine bloßen, vorbereitenden Skizzen sein wollen. Da ist ein keilförmiger Tarnkappenbomber, mit „Logo“ unterschrieben, oder ein Leuchtturm auf offener See, „The last station before the end of the horizon (With the type of knowledge that made our world round, now proceeding in a direction that can only make it flat again; our potential to fall off the edge is restored anew)“.
In all diesen Zeichnungen verbindet Lewis das Bild mit dem Text – dessen Vielschichtigkeit sich bisweilen aber nur denen erschließt, die auf fortgeschrittene Englischkenntnisse zurückgreifen können. Gleiches gilt für die aktuelle Serie „Observances“, die nur mehr aus Text besteht, das Bild dabei den Lesenden überlässt. „Apple Blossom“ heißt eine dieser 33 poetischen Beobachtungen, „Humming machine“. Immerhin: Der Katalog zu „Oberservances“ enthält auch die Übersetzungen, in diesem Falle also „Apfelblüte, Summmaschine“.
Manches Wortspiel lässt sich aber auch gar nicht so recht übersetzen: Das Werk „The Flea“ etwa, auch eine Bleistiftzeichnung. Auf den ersten Blick ein Wald, endlos totes, auf keinen Fall mehr grünendes Holz, mit einer kaum sichtbaren Figur dazwischen, vermutlich ist sie auf der Flucht. Vor was auch immer. Es könnte aber auch alles ganz anders sein. Und der Wald ist eine naturalistisch gezeichnete Mikroskopie von Haaren, vieltausendfach vergrößert. Und die Figur entpuppte sich als der Floh, als der sie sich in der Übersetzung aus dem Englischen ankündigt. Jan Zier
Bis 9. April in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst auf dem Teerhof zu sehen, Di bis So, 11 bis 18 Uhr, Do bis 21 Uhr