: Heißwasser gegen Schadpilze
OBSTANBAU Mit einem neuen Verfahren sollen zukünftig Äpfel gegen das Verfaulen geduscht werden. Das spart Zeit, Energie und Pestizide. Rekordernte kommt
Bald beginnt in Deutschland die Apfelernte. Doch von jährlich rund einer Million Tonnen angebauten Äpfel schaffen es bis zu 30 Prozent nicht zu den Verbrauchern. Bereits während der Lagerung werden sie von Schadpilzen befallen und verfaulen noch vor der Vermarktung. Die Obstbauversuchsanstalt Jork in Niedersachsen hat dagegen nun ein Mittel: heißes Wasser.
Dabei wird der Apfel direkt nach der Ernte für wenige Sekunden mit heißem Wasser geduscht, wobei der ausgelöste Hitzeschock eine pilzhemmende Wirkung hat. „Dass das Verfahren funktioniert, haben wir in den vergangenen Jahren getestet“, sagt Hinrich Holthusen, Projektleiter der sogenannten Kurzheißwasserbehandlung (HWB). In weiteren drei Jahren werde nun die großtechnische Umsetzung geplant, um Zeitpunkt, Dauer und Wassertemperatur exakt feststellen zu können. Ein komplexes Verfahren, zumal diese Angaben von Sorte zu Sorte variieren können, erklärt Holthusen.
Einige ökologische Betriebe verwenden bereits ein solches Verfahren mit der Bezeichnung Heißwassertauchverfahren (HWT). Der Unterschied: Die Äpfel werden nach der Ernte allesamt in ein großes Becken mit Heißwasser gekippt. „Das ist zeitlich und energietechnisch ein großer Mehraufwand“, so Holthusen. Mit der HWB will er es ohne zeitlichen Mehraufwand schaffen. Wie genau, sei noch nicht klar. Er denkt zum Beispiel an eine Heißwasserdusche, die direkt an dem Verleseband angeschlossen ist.
Eine anderes von Ökoanbauern viel genutztes Verfahren zum Frischhalten von Äpfeln ist die sogenannte ULO-Methode (Ultra Low Oxygen). Dabei wird dem Lagerraum Sauerstoff entzogen, wodurch der Reifungsprozess der Äpfel aufgehalten wird. Laut Holthusen wirkt dies allerdings nicht ausreichend. Zwar hemme die reduzierte Sauerstoffzufuhr die Pilzbildung, aber der Pilz könne sich auch noch vermehren, nachdem die Äpfel herausgeholt wurden. Holthusen sieht die Methode vielmehr als Zusatz zu der HWB, da sie auch gegen die Schalenalterung der Früchte wirke.
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) sieht in dem Projekt ein großes Potenzial. Bislang würden die pilzlichen Lagerfäulen vor allem durch chemische Fungizide im üblichen Obstbau oder nichtsynthetische Pflanzenschutzmittel im ökologischen Anbau bekämpft, erklärt DBU-Referent Holger Wurl.
„Doch man weiß nur wenig über den Zeitpunkt von Infektionen durch Schadpilze, weshalb die Fungizide ungezielt und in einem breiten Zeitfenster von ein bis sechs Wochen vor der Ernte auf die Äpfel gespritzt werden“, so Wurl. Das neue Verfahren entlaste die Umwelt durch den Wegfall von chemischen Pflanzenschutzmitteln und erhöhe gleichzeitig die Produktqualität für den Verbraucher.
„Wenn man bedenkt, dass in Deutschland jährlich elf Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen werden, besteht hier großer Handlungsbedarf“, sagt Heinrich Botterman, Generalsekretär der DBU. Deshalb unterstützt die Stiftung die Obstbauversuchsanstalt Jork fachlich und finanziell mit 340.000 Euro.
In der Region Niederelbe werden dieses Jahr schätzungsweise 300.000 Tonnen Äpfel geerntet werden. Das sind etwa 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Mit einer erfolgreichen Heißwasserbehandlung sollen es künftig alle auf den Markt schaffen. SAMANTA SIEGFRIED