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Archiv-Artikel

Die Reifeprüfung

NRW-IG Metall-Chef Detlef Wetzel startet heute in die wohl wichtigste Tarifrunde seiner Karriere. Es geht nicht nur um 6,5 Prozent mehr Lohn – sondern auch um einen Platz an der Gewerkschaftsspitze

VON KLAUS JANSEN

Für die 700.000 nordrhein-westfälischen Metallarbeiter geht es ab heute um mehr Geld. Für ihren Anführer Detlef Wetzel geht es bei der am Abend im Gelsenkirchener Maritim-Hotel beginnenden Tarifrunde auch um einen Karrieresprung: Gelingt dem nordrhein-westfälischen IG Metall-Chef zum zweiten Mal in Folge ein bundesweiter Pilotabschluss, dann ist er der Favorit auf den im Herbst voraussichtlich frei werdenden Posten als stellvertretender Bundesvorsitzenden der zweitgrößten Einzelgewerkschaft der Welt.

„Der Ausgang der Tarifgespräche hat nichts mit den anstehenden Personalentscheidungen zu tun“, erklärt zwar Wetzels Sprecher Wolfgang Nettelstroth. Bei einem weiteren Erfolg dürfte dem Siegener die Beförderung in die Frankfurter Gewerkschaftszentrale allerdings nicht mehr zu nehmen sein, falls IG Metall-Boss Jürgen Peters wie verabredet den Spitzenplatz für seinen jetzigen Vize Berthold Huber räumt. „In Nordrhein-Westfalen beginnen die Verhandlungen als erstes. Es ist gut möglich, dass auch hier der erste Abschluss gemacht wird“, sagt DGB-Landeschef Guntram Schneider. Wetzels Vorvorgänger im Amt, der frühere NRW-Arbeitsminister Harald Schartau (SPD) sagt: „Wetzel ist ein Hoffnungsträger. Es wäre ein herber Verlust für Nordrhein-Westfalen, wenn er geht.“

Mit der Forderung nach 6,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt zieht die IG Metall in die Gespräche mit den Arbeitgebern. „Die wirtschaftliche Lage in den Unternehmen ist deutlich besser als vor einem Jahr“, sagt Wetzel. „Das muss auch für unser Ergebnis gelten.“ Bei der vergangenen Lohnrunde hatte die Gewerkschaft für die Arbeitnehmer drei Prozent mehr Gehalt plus Einmalzahlungen ausgehandelt.NRW-Metallarbeitgeber-Präsident Horst-Werner Mayer-Hunke nennt die Forderung der Gewerkschaft hingegen ein „arbeitsmarktpolitisches Spiel mit dem Feuer“ und droht bereits mit dem Abbau von Arbeitsplätzen, falls eine Lohnerhöhung in dieser Größenordnung durchgesetzt werde. Für die zweite Verhandlungsrunde kündigt er zwar ein Angebot an – dies werde jedoch deutlich unter dem des Vorjahres liegen. „Wir haben aus unseren Fehlern gelernt“, sagt er.

Unterstützung bekommen die Arbeitgeber von den Wissenschaftlern des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln: „Der Höhepunkt der Konjunktur der Branche ist überschritten“, sagt der Tarifexperte Hagen Lesch. Die IG Metall verkenne zudem die gesamtwirtschaftliche Wirkung ihrer Tarifpolitik: „Wenn ein zu hoher Abschluss kommt, wollen auch die Gewerkschaften in den anderen Branchen auf die Pauke hauen.“

Die hohe Forderung der IG Metall passt zum ungewohnt harten Tonfall, den Wetzel in den vergangenen Wochen angeschlagen hat. Glaubt man Gewerkschaftskennern, dann muss der als Modernisierer geltende Wetzel aufpassen, nicht zu kompromissbereit zu wirken – allein schon deshalb, weil sein möglicher Führungspartner Huber im Bund auch nicht als Hardliner gilt. „Detlef würde den Karrieresprung gerne machen. Da darf es nicht heißen, dass er ein Samtpfötchen ist“, sagt ein Kollege. Vor einer Woche kritisierte Wetzel auffallend heftig die geplanten Entlassungen bei Airbus, der Telekom sowie Bayer Schering und warnte gar vor einem „Tod der sozialen Marktwirtschaft“.

„Detlef ist nicht nur moderat. Er kann durchaus zulangen“, sagt DGB-Landeschef Schneider. Er will Wetzel auch deshalb über das Jahr hinaus im Bundesland halten: „NRW ist so schön“, sagt er. „Ich hoffe, er sieht das genauso.“