: Karriereknick, Ehekrise: Polizist stürzt ab
Im Fall des ehemaligen Polizeidirektors Franz A. hat die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen ausgeweitet. Sie hält jetzt auch eine versuchte Tötung für möglich. Franz A. hatte behauptet, er habe mit seiner Frau Selbstmord begehen wollen
VON FRED JANSSEN
Ein leitender Polizeidirektor fährt einen Dienstwagen zu Schrott. Stunden später meldet er von zu Hause aus, er und seine Frau wollten sich umbringen. Diese beiden Vorgänge vom 22. Dezember 2006 sowie die Stunden davor und danach haben die Polizei in Ostfriesland in eine Krise gestürzt. Die Staatsanwaltschaft versucht nun zu klären, was sich zugetragen hat.
Franz A. war Chef der großen Polizeiinspektion Wilhelmshaven/Friesland/Wittmundt. Er hatte die Karriereleiter zielstrebig erklommen. Im vorigen Herbst war er zum Leitenden Polizeidirektor befördert worden. Er galt als korrekt und ehrgeizig, als jemand, den so leicht nichts erschüttern konnte. Als Mit-Initiator der Deutschen Teddy-Stiftung setzte er sich für Kinder in Notlagen ein.
Doch die Ehe von Franz A. geriet in eine Krise. Über eine Kontaktbörse lernte er eine jüngere Frau kennen, eine Mutter von drei Kindern, mit der er sich bald regelmäßig traf. Franz A., der als strenger Chef galt, muss geglaubt haben, die Affäre geheim halten zu können. Doch im Kollegenkreis wurde gemunkelt. Bald bekam seine Ehefrau anonyme Anrufe.
Ausgerechnet in dieser Phase spürte Franz A. auch dienstlich Gegenwind. Die Polizeireform in Niedersachsen, die er als Berater des Innenministers maßgeblich mitgestaltet hatte, sorgte für großen Missmut. Der Zuschnitt der neuen Inspektion Wilhelmshaven/Friesland/Wittmund stand und steht in der Kritik. Selbst die Parteifreunde von Franz A. aus der CDU möchten diese Reform am liebsten wieder rückgängig machen.
Innenminister Uwe Schünemann zeigte sich überrascht und verwundert. Er fühlte sich von Franz A. falsch beraten. Bei einem Besuch des Ministers in Wittmund durfte er an internen Gesprächen schon nicht mehr teilnehmen. Der Polizeichef verschickte Ketten-Mails, in denen er seine Kollegen in harschen Worten aufforderte, den Mund zu halten und die Reform nicht in Frage zu stellen. Es wurde einsam um den Mann.
Am 22. Dezember eskalierte die Situation. Franz A. erfuhr, dass seine Geliebte und seine Frau sich in einem Café aussprechen wollten. Er machte sich mit einem Streifenwagen auf den Weg. Offensichtlich wollte er bei dem Treffen dabei sein. Auf gerader Strecke verlor er die Gewalt über sein Fahrzeug.
Die Polizeiinspektion meldete lediglich, dass „ein Polizeibeamter“ bei einer Verfolgungsfahrt verunglückt sei. Der Beamte habe einen Verkehrssünder verfolgt, sei aber bei dem Unfall nur leicht verletzt worden. Der Dienstwagen habe nur noch Schrottwert. Kein Wort davon, dass es sich um den Leiter der Inspektion handelte.
Der Vorfall löste Gerüchte und Spekulationen aus. Journalisten begannen nachzufragen. Doch die Polizeiinspektion und auch die Polizeidirektion Oldenburg als nächsthöhere Instanz hielten es nicht für nötig, zu den Geschehnissen etwas zu sagen. Bis in den Januar hinein hielten sie an der Darstellung fest, Franz A. sei bei einer Verfolgungsfahrt verunglückt.
Erst als die Bild-Zeitung berichtete, dass der Polizeidirektor bei dem Unfall möglicherweise betrunken gewesen sei, nahm die Polizeidirektion offizielle Stellung. Nun hieß es plötzlich, Polizeichef Franz A. habe inzwischen erklärt, dass er sich mit dem Unfall das Leben nehmen wollte. Betrunken sei er nicht gewesen. Am selben Abend habe er gemeinsam mit seiner Ehefrau einen weiteren Suizidversuch unternommen. Beide hätten den Versuch rechtzeitig abgebrochen. Das Motiv liege im privaten Bereich.
Die Staatsanwaltschaft Oldenburg schaltete sich ein. Franz A. musste wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr seinen Führerschein abgeben. Vor seinem Unfall, so die Ermittlungen, hatte der Beschuldigte einen anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet und zu einer Vollbremsung gezwungen.
Franz A. wurde vom Dienst suspendiert. Die Staatsanwaltschaft teilte mit, dass sie die Ermittlungen ausweite. An der Version des Doppelselbstmordes hätten sich Zweifel ergeben. Sie ermittelt nun auch wegen unterlassene Hilfeleistung oder sogar einer versuchten Tötung an jedem Abend im Dezember.
Die Version eines doppelten Selbstmordversuches nimmt die Staatsanwaltschaft Franz A. offenbar nicht mehr ab. Die Retter, die zuerst vor Ort waren, fanden nur seine Gattin in lebensbedrohlichem Zustand, während bei Franz A. keinerlei Anzeichen für eine Vergiftung zu erkennen waren. Die Frau hat sich bisher geweigert, auszusagen.
Alle anderen Beteiligten bis hin zu den Verantwortlichen der Polizeidirektion Oldenburg scheinen zu glauben, dass sich der Fall für sie damit erledigt hat. Ihr Verhalten aber, das offensichtliche Vertuschen und Deckeln, wird wohl ein Nachspiel haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt auch in Polizeikreisen.