: Vorschlag für die Tonne
Umweltsenatorin Lompscher will die Biotonne in ganz Berlin einführen. Das Biomüllaufkommen könnte verdoppelt werden. Die BSR hält davon wenig: Zu wenige Berliner würden die Tonne nutzen
VON TIM WESTERHOLT
Viele mögen sie gar nicht – Andreas Jarfe schon. Die Tonne für Biomüll ist für den Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Berlin seit Jahren ein wichtiges Anliegen. Denn: „In der Hauptstadt wird die Öko-Tonne noch viel zu selten genutzt.“ Vor allem in ländlicheren Gegenden sei sie weiter verbreitet. Doch nicht nur in diesem Vergleich hinkt die Stadt hinterher. „Alleine in München gibt es doppelt so viel Biotonnen wie in Berlin“, sagt Jarfe. Aus ökologischer Sicht sei sie absolut notwendig. Der aktuelle Vorstoß des Senats geht deshalb für Jarfe in die richtige Richtung.
Vergangene Woche hatte die Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz Katrin Lompscher (Linkspartei) gefordert, die Biotonne im gesamten Stadtgebiet einzuführen. Bisher besitzen nur rund 2,7 Millionen der 3,4 Millionen Berliner die Möglichkeit, ihre Bioabfälle in der Extra-Tonne zu sammeln. Durch eine flächendeckende Ausweitung könne das Biomüll-Aufkommen verdoppelt werden, so Lompscher. Ihre Sprecherin Marie-Luise Dittmar betont, die durch die Ausweitung entstehenden Gebühren würden sich in „sozial verträglichen Grenzen“ befinden. Jeder Berliner müsse lediglich 2,50 bis 3 Euro pro Jahr mehr bezahlen.
Die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) begegnen dem Senatsvorstoß mit Zurückhaltung. Sprecherin Sabine Thümler sieht die Erweiterung des Biotonnen-Gebietes lediglich als eine „noch zu prüfende Option“. Generell sei man momentan dabei, das bestehende System zu verbessern. „Durch die weiten Anfahrtswege ist zurzeit eine Neuordnung der Abholstrecken gefordert“, so Thümler.
Auch seien die Füllgrade der Müllfahrzeuge häufig ökonomisch bedenklich. „Häufig fahren die Fahrzeuge für nur geringe Mengen Müll durch die gesamte Stadt.“ In den Randbezirken, auf die sich die Ausweitung beziehen soll, sei zudem mit keiner großen Resonanz auf das erweiterte Angebot zu rechnen. Viele Bewohner würden dort ihren Biomüll in Gärten selbst verwerten. Bevor der Senatsvorstoß umgesetzt werde, müssten daher neben den ökologischen vor allem die ökonomischen Aspekte überprüft werden, so Thümler.
Andreas Jarfe widerspricht dem energisch. „Die Ausweitung der Biotonne bringt ökologische wie ökonomische Vorteile.“ Rund 54.000 Tonnen Biomüll würden in Berlin jährlich eingesammelt. Insgesamt entstünden jedoch rund 400.000 Tonnen im Jahr. „Der nicht korrekt einsortierte Müll muss, bevor er mit dem Restmüll verbrannt werden kann, getrocknet werden“, so Jarfe. Dies treibe den Entsorgungspreis enorm in die Höhe.
Der verbrannte Biomüll ist für ihn zudem eine doppelte Verschwendung: „Wir leisten es uns, dass jeden Tag in der Müllwirtschaft tausende Tonnen Biomasse für nichts vernichtet werden.“ Stattdessen solle das verschwendete Material in Biogasanlagen in Energie umgewandelt werden.
Beim Berliner Mieterverein stößt der Vorschlag Lompschers hingegen auf strikte Ablehnung. Geschäftsführer Reiner Wild wendet sich gegen eine Ausweitung der Biotonne auf ganz Berlin: „Der Senat hat eine Verantwortung gegenüber den Mietern. Eine Gebührenerhöhung ist unter keinen Umständen zu rechtfertigen.“ Die Tonne sei zudem ein „Magnet für Ratten und andere Schädlinge“ und führe besonders im Sommer zu großen hygienischen Problemen.
Auch Andreas Jarfe wendet sich gegen zusätzliche Gebühren für die Berliner. Der Vorstoß von Senatorin Lompscher lasse außer Acht, dass für die Bürger Anreize geschaffen werden müssten, die Tonne aufzustellen. Die Gebühren müssten auf die Restmüllgebühren umgeleitet werden. „Es darf den Einzelnen nichts kosten, ökologisch zu handeln“, so Jarfe. Die hygienischen Schwierigkeiten seien hingegen mittlerweile handhabbar. Aufgrund der massiven Geruchsbeschwerden habe der BUND den Senat vorgeschlagen, neue Container zu benutzen. „Durch spezielle Deckel wird dort das Ungeziefer fern gehalten.“
Die Vorschläge des Umweltverbandes werden im Senat zurückhaltend aufgenommen. „Diese Ideen sind uns bekannt. Weitere Schritte in der Müllverwaltung müssen jedoch zunächst geprüft werden“, so Sprecherin Thümler. So lange rollen die Müllfahrzeuge weiterhin teilweise nur halb gefüllt durch die Stadt.