„Keine politische Agenda“

DEMONSTRATION Buddhisten protestieren gegen das Verbot der „Shugden“-Praxis durch den Dalai Lama

■ 40, ist buddhistischer Lehrer und Pressesprecher der Hamburger Anti-Dalai-Lama-Demos der Shugden-Community.

taz: Herr Rehnert, was ist Shugden? Eine buddhistische Sekte? Ein tibetischer Geisterkult?

Markus Rehnert: Es ist eine buddhistische Praxis, die 30 Prozent der Tibeter ausüben – insgesamt rund zwei Millionen Menschen.

Der Dalai Lama sagt, die Shugden-Leute seien kriminelle Fundamentalisten, durch die er sich bedroht fühle.

Dabei hat er diese Praxis die ersten 40 Jahre seines Lebens selbst ausgeübt. Erst in den 1970ern hat er angefangen, sie abzulehnen. Er sagte, die Shugden-Praxis verkürze sein Leben und schade außerdem dem tibetischen Volk.

1975 schrieb Dzeme Rinpoche das „Yellow Book“, das 23 Regierungsangestellte und hohe Lamas nennt, die durch die Macht der Gottheit Shugden umgebracht worden sein sollen. Der Dalai Lama deutet das als gegen ihn gerichtete Drohung.

Ich kenne das Buch nicht.

Das Buch war Auslöser des Streits um die Shugden-Gebete, die der Dalai Lama 1996 verbot.

Es gibt andere Texte, die das genaue Gegenteil besagen.

Was besagen die umstrittenen Gebete eigentlich?

Sie sind Anrufungen von Schutz- und Weisheitsgottheiten.

Fachleute sagen, dass Shugden-Anhänger gegen Andersdenkende agitieren und einen Absolutheitsanspruch geltend machen.

Ich halte das für eine Diffamierungskampagne. Der Dalai Lama setzt die Menschen extrem unter Druck.

Auf welche Weise?

Er hat 2008 in südindischen Exil-Klosteruniversitäten verlangt, dass die Mönche der Shugden-Praxis öffentlich abschworen. Außerdem haben seine Anhänger kürzlich im Internet Personaldaten 34 tibetischer Pro-Shugden-Demonstranten veröffentlicht. Das ist eine klare Verletzung der Religionsfreiheit.

Schätzen die Shugden-Leute die Institution des Dalai Lama?

Nein. Diese Institution steht für ein Machtsystem, das Politik und Religion verquickt.

Der Dalai Lama ist seit 2011 nicht mehr weltliches Oberhaupt der Tibeter.

De facto hat sich die tibetische Exilregierung aber verpflichtet, nichts gegen den Willen des Dalai Lama zu entscheiden. Und ich glaube, dass er Shugden verbot, um einen Sündenbock für seine gescheiterte Politik zu haben.

Und gegen all das demonstrieren Sie während des aktuellen Dalai-Lama-Besuchs?

Nein. Wir haben keine politische Agenda. Wir wollen nur, dass er das Shugden-Verbot aufhebt.

INTERVIEW: PS

Nächste Demo gegen das Shugden-Verbot: 8.30 bis 16 Uhr, CCH