: Liebesbrief an die Ruhr
CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers lobt das Ruhrgebiet – und kündigt Subventionskürzungen an. SPD und Gewerkschaften klagen über „unfairen“ Wettbewerb: „starke Regionen bevorzugt“
VON KLAUS JANSEN UND ANDREAS WYPUTTA
Jürgen Rüttgers macht dem Ruhrgebiet vergiftete Komplimente. In einem Gastbeitrag für die Westdeutsche Zeitung lobt der nordrhein-westfälische Ministerpräsident die „typische Art des Zupackens“ der Bewohner der „Metropole Ruhr“. Rüttgers Schmeichelei ist die nette Verpackung für eine Politik, die den Menschen an der Ruhr kaum gefallen dürfte: Der Christdemokrat kündigt massive Subventionskürzungen an.
Bisher sei der Strukturwandel, der Verlust von über 600.000 Arbeitsplätzen zwar sozialverträglich abgefedert worden, schreibt der Regierungschef. Förderprogramme seien aber „häufig nach politischen Kriterien mit der Gießkanne verteilt worden“, die Ergebnisse seien „nicht immer ermutigend“. Künftig werde das Ruhrgebiet aus eigener Kraft wachsen müssen, glaubt Rüttgers: Seine Regierung wolle „einen Wettstreit zwischen den Regionen unseres Landes auslösen, der neue Ideen und Arbeitsplätze schafft“.
Im Ruhrgebiet stießen Rüttgers‘ Äußerungen auf Unverständnis. „Mehr Wettbewerb wäre in Ordnung“, sagte der Verbandsdirektor des Regionalverbands Ruhrgebiet, Heinz-Dieter Klink (SPD). „Gefährlich ist, dass Rüttgers den Eindruck erweckt, er wolle bewusst mehr Geld in andere Regionen umleiten.“ Sorge bereite ihm, dass der Ministerpräsident noch immer nur ein „sehr vages“ Programm für die Kommunen aufgelegt habe, die vom Ausstieg aus der Steinkohle betroffen sind. „Entscheidend ist, wie das Land künftig förderfähige Projekte definiert. Ein Cluster zum Weinanbau im Siebengebirge darf nicht genauso bewertet werden wie der Ausbau von Energieparks im Ruhrgebiet“, so Klink zur taz.
Auch Nordrhein-Westfalens DGB-Chef Guntram Schneider fürchtet, der Wettbewerb der Regionen werde „unfair“ ablaufen: Bis zum Jahr 2013 werden vier Milliarden Euro für Regionalförderungsprojekte ausgegeben – aber nur die Hälfte davon zahlt die EU. Für den Rest müssen das Land und die Städte selbst aufkommen. „Die unter Haushaltsaufsicht stehenden Kommunen des Ruhrgebietes verfügen über erheblich weniger Möglichkeiten, Eigenanteile zu leisten als die reichen Städte der Rheinschiene“, sagt Gewerkschaftschef Schneider.
Rüttgers betreibe Klientelpolitik, glaubt auch der Generalsekretär der nordrhein-westfälischen SPD, Michael Groschek. „Es besteht der Verdacht, dass strukturstarke Räume über Umwege doch bevorzugt werden.“ Als Beispiel nennt der Sozialdemokrat die von der BenQ-Pleite und dem absehbaren Aus des Bergwerks West gebeutelte Stadt Kamp-Lintfort – die wäre mit Rüttgers‘ „ideologisch gefärbter Wirtschaftspolitik überhaupt nicht förderfähig“, klagt Groschek.
Unter den CDU-Rathauschefs des Ruhrgebiets wurden Rüttgers‘ Ankündigungen gemischt aufgenommen. Während Duisburgs CDU-Oberbürgermeister Adolf Sauerland seine Stadt „auch ohne Ruhrgebietsbonus“ für den Wettbewerb um Fördermittel gerüstet sieht, fordert Hamms christdemokratischer Rathauschef Thomas Hunsteger-Petermann Geld vom Land. „Die im Zuge der Zukunftsinitiative Ruhr versprochenen, bei den Steinkohlesubventionen eingesparten Mittel müssen in die Bergbaustädte fließen“, so sein Sprecher Christian Strasen.
Doch dort dürften die Meisten von Rüttgers‘ neuer Förderpolitik kaum etwas mitbekommen haben: Die Westdeutsche, in der der Rheinländer seinen Aufsatz veröffentlicht hat, erscheint in Düsseldorf.